Nicht nur vertreten, sondern verkauft

■ betr.: „Nicht ohne meine Diät“, taz vom 29. 4. 96

[...] Lieber Herr Laschet, es scheint mir fast so, als ob Sie an einigen Parlamentssitzungen nicht teilgenommen hätten. Denn schließlich wurde doch meines Wissens auch irgendwann einmal zum Beispiel eine Erhöhung des Kindergeldes beschlossen. Hierbei scheint es also offenbar nicht „ums Prinzip“ zu gehen.

Oder geht es vielleicht (was wir ja alles nicht glauben) um ein ganz anderes Prinzip? Nämlich darum, denjenigen das Geld wegzunehmen, die es nicht ausgeben können, weil sie es nicht haben, um es dann denjenigen zu geben, die es nicht ausgeben können, weil sie zu viel davon haben.

Hört man nicht vor allem aus Ihren Reihen immer wieder, daß „wir alle“ Opfer bringen und den Gürtel enger schnallen müssen? Welch großes Opfer es für Sie doch sein muß, jeden Monat 525 Mark zusätzlich einstreichen zu müssen, vermutlich auch zusätzlich zu diversen Einkünften aus Aufsichtsratstätigkeiten o. ä. Haben Sie sich eigentlich schon überlegt, wie Sie Ihre Einkünfte an der Quellensteuer vorbeischleusen?

Polemik ist an sich nicht so meine Sache, aber bei einer derartigen Unverfrorenheit kann ich nicht anders. Von Ihnen, Herr Laschet, fühle ich mich als Angehöriger des Volkes nicht nur vertreten, sondern verkauft. Ihre Glaubwürdigkeit bewahren Sie nicht durch das Festhalten an Beschlüssen, sondern durch die Orientierung Ihrer Politik an der Realität, vor allem bei der derzeitigen Finanzlage. Ganz am Rande: von 11.825 DM kann ich bei meinem momentanen Ausgabenpotential über ein Jahr lang leben. Thomas Mahn, Dortmund