Jordan war frustriert

Die Chicago Bulls verloren in Seattle mit 86:107 und mußten den Champagner im Kühlschrank lassen  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – „Ich glaube, zu einem schlechten Spiel sind wir berechtigt“, sagte ein enttäuschter Michael Jordan, nachdem es mit der Meisterfeier doch noch nichts geworden war. Im vierten Spiel der Finalserie gegen die Seattle SuperSonics verloren die Chicago Bulls glatt mit 86:107, nichts war es mit dem sweep, dem Hinwegfegen des Gegners in vier Spielen.

Vor 17.072 begeisterten Zuschauern in der Key Arena von Seattle spielten die Gastgeber endlich so, wie sie es sich die ganze Zeit vorgestellt hatten. Vom Start weg gingen sie in Führung – ein Gefühl, das sie in diesem Finale schon lange nicht mehr gekannt hatten – und lagen nach dem ersten Viertel mit 25:21 vorn. Dann drehten sie richtig auf. Im zweiten Viertel bauten sie ihren Vorsprung auf 21 Punkte aus, da half es den Bulls wenig, daß sie zumindest die zweite Halbzeit ausgeglichen halten konnten. Shawn Kemp war mit 25 Punkten und 11 Rebounds der beste Spieler bei Seattle, aber auch Gary Payton (21 Punkte, 11 Assists) und Detlef Schrempf (14 Punkte) hatten ihre Formschwäche endlich überwunden.

Als Hauptgrund für den Wandel bei den Sonics wurde jedoch angesehen, daß Nate McMillan wieder mitspielen konnte. Zwei Partien hatte er wegen einer Rückenverletzung ausgesetzt, nun hatte er das Zuschauen satt, spielte 14 großartige Minuten und brachte es auf 8 Punkte. „Ich glaube, er brachte ihnen einen großen emotionalen Schub“, lobte Jordan.

Bei den Bulls lief kaum etwas wie gewohnt. Jordan (23 Punkte) wurde von Payton glänzend bewacht und traf bei 19 Versuchen aus dem Feld nur sechsmal den Korb. „Gary wurde nicht umsonst Abwehrspieler des Jahres“, lobte Seattles Guard Hersey Hawkins seinen Teamkollegen. Jordan, der sich zudem vier Ballverluste leistete, gab seine Frustration unumwunden zu: „Wir konnten es nicht hinkriegen, daß irgend etwas für uns lief.“ Scottie Pippen blieb mit 9 Punkten schwach, so daß auch die guten Leistungen von Dennis Rodman, der acht offensive Rebounds ergatterte, und Toni Kukoc (14 Punkte) nichts halfen.

„Wir haben 48 Minuten lang unseren Basketball gespielt“, meinte Shawn Kemp nach dem Match zufrieden, „das ist es, was du tun mußt, um eine Meisterschaft zu gewinnen.“ Davon sind die Sonics allerdings noch weit entfernt. Heute stehen sie, erneut in ihrer eigenen Key Arena, schon wieder vor dem Aus. „Wir sind in derselben Position wie zuvor“, erkannte auch Trainer George Karl.

Allzu große Sorgen machen sich die Bulls jedenfalls bisher noch nicht. „Dieses Team muß uns noch dreimal schlagen“, meinte Michael Jordan. „Wir sagen nicht, daß sie es nicht können, aber wir sind zuversichtlich.“