: Ein "pompöser" Knotenpunkt
■ Die Verlängerung der U-Bahn-Linie 8 bis Hermannstraße ist fertiggestellt. Umsteigen zum S-Bahn-Südring ist ab Samstag möglich. Kosten: satte 126 Millionen
Der Abstieg zum neuen, türkisgrau gekachelten U-Bahnhof Hermannstraße erweist sich als Schlitterpartie. Ohne Überdachung werden die Fliesen an regenreichen Sommertagen halsbrecherisch glatt. Nach vierjähriger Bauzeit und einer Investition von 126 Millionen Mark ist es jedoch endlich soweit: Die U-Bahn-Linie 8 ist von der bisherigen Endhaltestelle Leinestraße bis zur Hermannstraße verlängert worden. Von dort aus besteht ab Samstag die Umsteigemöglichkeit zum südlichen S-Bahn-Ring.
Seit der Grundsteinlegung im Jahr 1913 unterlag der Ausbau der U-Bahn-Linie dem Wechselbad der Geschichte. Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg verhinderten die Fertigstellung des U-Bahnhofs Hermannstraße. Im Krieg als Luftschutzkeller zweckentfremdet, geriet er nach dem Mauerbau in eine Randlage und lag weiterhin brach.
Heute kennzeichnet wieder ein Spezifikum den Ausbau der Linie 8: Ohne Planfeststellungsverfahren begann die Große Koalition 1992 die Sanierung des Tunnels zwischen Leine- und Hermannstraße sowie die Vervollständigung des Bahnhofs Hermannstraße.
Staatssekretär Ingo Schmitt gesteht, es habe damals nur „stillschweigende Vereinbarungen mit der Deutschen Reichsbahn“ gegeben. Anschließend hätten politische Streitigkeiten den Bau unnötig in die Länge gezogen. Eine Bauzeit von vier Jahren sei für einen relativ kurzen Bahnhofs- und Tunnelabschnitt von 320 Metern sehr lang. Umstritten ist vor allem die 130 Meter lange Kehr- und Aufstellanlage, die südlich an den Bahnhof angebaut wurde und eine problemlose und pünktliche Zugfolge gewährleisten soll. Die Senatsverwaltung und die BVG haben sich für diese Lösung eingesetzt, um eine dichte Zugfolge im Zweiminutentakt möglich zu machen.
Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, weist darauf hin, daß ein Dreiminutentakt sich auch im Bahnhofsbereich selbst realisieren lasse. Die Investition von 80 Millionen Mark für eine Kehr- und Abstellanlage sei somit unnötig gewesen.
Tatsächlich verkehrt die U 8 auch nicht im Zweiminutentakt, sondern nur alle fünf Minuten. U-Bahn-Betriebsleiter Klaus Siepert stellt diesbezüglich keine Änderung in Aussicht: „Nur für Großereignisse, wie dem Papstbesuch, soll eine erhöhte Frequenz machbar sein.“ Entgegen einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen soll die Linie 8 auch weiterhin am Wochenende nachts außer Betrieb bleiben.
Matthias Horth vom Berliner Fahrgastverband IGEB e. V. bezeichnet das gesamte Projekt als „Westberliner Pompösnummer“, die sich der Senat trotz finanzieller Defizite im Haushalt erlaubt habe. Er moniert die Behindertenunfreundlichkeit der Gestaltung. Diese könnten nicht den direkten Zugang von U- zur S-Bahn nutzen, da hier kein Fahrstuhl vorhanden sei. Isabel Fannrich
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