Es gibt auch Leerstellen im Hirn

Frankenstein und Klaus Nothnagel feiern mit: Das zweite „Operative Künstlerfest“ in Buch widmet sich am Wochenende mit Lehrfilmen und „Viborgs“ dem Thema „Kunst und Medizin“  ■ Von Ulrich Clewing

Das kleine Mädchen, das im letzten Jahr hingebungsvoll und mit beträchtlicher Ausdauer im vom Regen aufgeweichten Erdreich wühlte, wird seine Energie in diesem Jahr anders kanalisieren müssen. Pünktlich zum zweiten „Operativen Künstlerfest“ im Künstlerhof Buch ist der zentrale Platz gepflastert, was angesichts des derzeitigen Wechselwetters für weniger anarchisch veranlagte Mitmenschen echte Vorteile hat.

Wie schon im vergangenen Jahr erwartet die BesucherInnen des Sommerfests ein umfangreiches Programm. Christina Tappe, Peter Schaul und Christian Kneisel von der Akademie der Künste haben rund zwei Dutzend KünstlerInnen der unterschiedlichsten Sparten eingeladen, damit in den kommenden Tagen nicht nur – wie sonst bei Sommerfesten üblich – gegessen und getrunken werden kann, sondern das Ganze auch gleich zur Miniausstellung wird. In den Ateliers und den angrenzenden Räumen des Künstlerhofs werden von heute an bis zum Sonntag Kunstwerke präsentiert, Konzerte, Performances und Videofilme aufgeführt, Lesungen veranstaltet. Die Choreographin Reinhild Hoffmann konnte für einen Tanzworkshop verpflichtet werden, Ex-tazler Klaus Nothnagel (derzeit Radio Brandenburg) wird aus seinem neuen Werk „Singvögel im Suff und andere Katastrophen“ lesen.

Der Themenschwerpunkt heißt dieses Jahr „Kunst und Medizin“. Seit einiger Zeit gibt es eine Kooperation zwischen dem Künstlerhof und dem auch in Buch angesiedelten Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin, vulgo: Gentechnik. Die Zusammenarbeit ist ein von Berührungsängsten nicht gänzlich freier Versuch, so Peter Schaul, „miteinander ins Gespräch zu kommen“. Am Sonntag um elf Uhr ist eine Matinée geplant, zu der Künstlern mit Wissenschaftlern diskutieren wollen.

Eine Künstlerin wie die studierte Medizinerin Tynne Claudia Pollmann hat da durchaus etwas beizusteuern: Sie zeigt im zweiten Geschoß des ehemaligen Speichergebäudes Abbildungen ihres „Viborgs“, eines „virtuellen Ventrikel-b-Organs“. Bei Ventrikeln handelt es sich um mit Liquor- Flüssigkeit gefüllte Kammern im menschlichen Gehirn, die Pollmann zufolge „die Leerstellen des Hirns“ genannt werden können und das zentrale Nervensystem umgeben. Ebenfalls im Rahmen der Reihe „Kunst und Medizin“ stellt Christoph Keller mittels einer „interaktiven Installation“ sein Projekt „medfilm“ vor. Keller fand im 1994 aufgelösten Filminstitut der Charité rund 1.000 medizinische Lehr- und Experimentalfilme, die er als eigenständiges Genre verstanden wissen will. Darüber hinaus werden zu sehen und zu hören sein: ein Percussion-Sheng- Konzert des WuWei-WangWei Ensembles, Tanztheater von Tatjana Orlob, Filme von Christoph Schlingensief („Tungusta – Die Kisten sind da“), James Whale („Frankenstein“) sowie Videos der „Berlin Collection“. Außerdem wird am Samstag und am Sonntag ein spezielles Programm für Kinder („Malen mit Farben“) eingerichtet, das, wie die Erfahrung des letzten Jahres zeigt, Anlaß zu höchsten Erwartungen gibt.

Zweites Operatives Künstlerfest im Künstlerhof Buch, Alt-Buch 45–51. Eröffnung heute 18 Uhr, Sa. und So. ab 12 Uhr. Informationen unter 2812150 oder 94108012.