■ Hauptstadtdebatte um geplante Mauerdenkmäler: Häkeldeckchen im öffentlichen Raum
Berlin (taz) – Erneut tobt in Berlin ein großer Streit um Gedenken im öffentlichen Raum. Seit drei Tagen zeigt hier eine Ausstellung unter dem Titel „Grenzerinnerung“ verschiedene Entwürfe von Denkmälern, die an den ehemaligen Grenzübergängen der einst geteilten Stadt aufgestellt werden sollen.
Bereits am Eröffnungsabend kam es zu ersten Auseinandersetzungen. Eben noch hatte Bausenator Jürgen Klemann in seiner Ansprache erklärt, Berlin könne „nur mit der Erinnerung an die uns einst trennende Mauer zusammenwachsen“, da diskutierten Besucher bereits laut und vernehmlich über „diesen Dreck“.
Ins Kreuzfeuer der Kritik gerieten vornehmlich drei zukünftige Kunstwerke: Die Arbeit des Multimediakünstlers Peter Steinhöfel hielten die meisten Gäste für „unerträglich“. Steinhöfel will am ehemaligen Grenzübergang Bornholmer Straße eine handballfeldgroße Leinwand aufstellen, über die Tag und Nacht ein Endlosvideo flimmert. In einer einzigen Einstellung zeigt der Film einen schlafenden DDR-Grenzbeamten in seinem Diensthäuschen – „Ausdruck der Veränderung, des Friedens und der erlebten Ent-Spannung“. Die Anwohner der Bornholmer Straße, zur Vernissage ebenfalls geladen, halten nichts von dieser Interpretation ihres neuen Alltags. Besonders empörten sie sich darüber, „daß dieser Schrott mit Ton läuft“. 24 Stunden Schnarchen, so eine Betroffene, hielte niemand aus.
Aber auch Karla Sachses „Kaninchenfeld“, das bedeutend ruhiger und unspektakulärer angelegt ist, löste keine rechte Begeisterung aus. 40 bronzene Kaninchen sollen an der Chausseestraße in den Gehweg eingelassen werden. Die „friedliche Unterwanderung des Grenzstreifens“ mittels eines „Projektionsobjektes von beiden Seiten der Mauer aus“ (Sachse), wurde zur „Rentnerstolperfalle“ erklärt.
Ein fragiler, rund drei Meter hoher Scherenschnitteppich soll in der ehemals mauerverbauten Zimmerstraße auf einer Länge von sieben Metern den dortigen Grenzverlauf markieren. Gegen dieses Werk der bislang unbekannten Künstlerin Heli Stern, das die altbewährte, schlichte Papiertechnik mit einem freilich hochmodernen wetterfesten, mattgelben Kunststoff umsetzt, machen ebenfalls Anwohner mobil. Sie wollen sich „die endlich freie Aussicht nicht durch ein Häkeldeckchen“ versperren lassen. Ohne große Widerstände wird dagegen vermutlich Olaf Jeschkes „Bindfadenrolle“ angenommen werden, die in der Friedrichstraße ebenfalls das Ziel der Mauerverlaufserinnerungsarbeit erheblich diskreter verfolgt: Der Faden schlängelt sich vor allem durch Regenrinnen.
An einer Installation nahm allerdings niemand Anstoß – aus naheliegenden Gründen. Denn die rote Plastikbank von Twin Gabriel, die auf der Oberbaumbrücke eine rote Wartebank symbolisieren soll, wird – wie schon zuvor – im Niemandsland stehen. Und so kann die Tatsache, daß in ihre „15 cm starke hohle Rückenlehne“ ein Lautsprecher eingebaut sein wird, aus dem im 10-Minuten-Takt „Zwiegespräche/Streitgespräche/ Gezänk unterschiedlichen Inhalts“ quellen, angesichts des tosenden Autoverkehrs von Ost nach West getrost vernachlässigt werden. Barbola Häuslerburg
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