: Ins Grab nach Fielmann-Art
■ Die Berliner Begräbnishilfe hat eine Marktlücke entdeckt: Bestattungen zum Nulltarif. Daß sie damit Geld verdienen will, ist so sicher wie das Amen in der Kirche
Wäre Harald Berghoff nicht ein Geschäftsmann, man könnte ihn für einen Pastor halten. Ein grauer Anzug, die Weste im gleichen Ton, die Krawatte dezent, die Stimme leise und getragen, die Hände zusammengefaltet, die Frisur smart nach hinten gefönt. Seine Worte schweben dahin – ungefähr so wie ein Sarg in die Tiefe. Sein Lieblingswort ist Würde. Immer wieder sagt er Würde, und ab und an setzt er das Wort „Bestattung“ davor, um seine Botschaft „Bestattung in Würde“ unters Volk zu bringen. Wenn er das sagt, und das sagt Harald Berghoff oft, ist ihm der Geschäftsmann anzumerken. Er ist Chef der Berliner Begräbnishilfe, eines der ältesten Bestattungsinstitute der Stadt. Als solcher will er Geld verdienen – denn: „Wir sind ja kein Sozialverein.“
Weil Harald Berghoff ein cleverer Geschäftsmann ist, die Sterbezahlen sowieso und die Umsätze der Bestattungsinstitute gezwungenermaßen zurückgehen, ist sein Institut seit gestern „mit einem neuen, einem in Deutschland einmaligen Angebot“ auf dem Markt: Komplette Bestattungen zum Nulltarif. Konkret heißt das: Die trauernden Hinterbliebenen müssen für eine anonyme Erd-, Feuer- oder Seebestattung keinen Pfennig zuzahlen. Kein Geld ausgeben für Sterbeurkunden, für einen Kiefernholzsarg, für das Einbetten mit Sterbehemd, für Formalitäten, Einäscherung oder Sargtransport.
„Eine weiße Lilie oder eine rote Rose auf dem Sarg gehört natürlich zu unserem Angebot“, sagt Berghoff und verweist nochmals auf die Würde seines Unternehmens. Einzige Bedingung der „Bestattung nach Fielmann-Art“: Der Verstorbene muß ab dem 1. Januar 1989 krankenversichert sein und auch zum Zeitpunkt des Todes. Nur dann zahlt der Staat das gesetzliche Sterbegeld von 2.100 Mark – genau so viel, wie die Berliner Begräbnishilfe die „schlichte, aber würdevolle“ Bestattung kostet. „Wenn Sie bedenken, daß eine durchschnittliche Beerdigung heute schon mal 10.000 Mark kosten kann, dann wissen Sie, daß sich das viele Leute einfach nicht leisten können.“
Was ist würdevoll? Kann eine anonyme Bestattung überhaupt so tituliert werden? Harald Berghoff findet für einen Moment nicht die passende Antwort. Dann preist er die Beratungsqualität seiner Mitarbeiter an, „die nicht am Erlös, sondern an der Kundenzufriedenheit“ gemessen werden, dann spricht er von der Möglichkeit der Hinterbliebenen, persönlich von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen – natürlich in seinem Institut. Eine Trauerfeier, ein Grab, einen Grabstein – das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Jens Rübsam
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