Ade, Freund und Oma

Etwas aufgeregt wechselt die Nationalspielerin Petra Olek als erste deutsche Wasserballerin nach Italien  ■ Von Nina Klöckner

Vor zwei Jahren kam Petra Olek von Berlin in den Ruhrpott. Zur Zeit wohnt sie noch in Witten, arbeitet in Remscheid und trainiert in Dortmund. Anfang Januar wird sie nach Sizilien fliegen, für ein halbes Jahr in Catania ein Häuschen am Meer beziehen, nur wenige Meter davon entfernt trainieren und überhaupt nicht arbeiten.

Verhungern wird die Wasserball-Nationalspielerin deshalb nicht, dafür hat eine Freundin gesorgt. Die hat ihr eine Kassette geschenkt, „Italienisch für Anfänger“. Damit sie demnächst wenigstens lebenswichtige Dinge sagen kann, „Hunger“ zum Beispiel oder „Was soll ich tun?“. Außerdem wird sie bei ihrem neuen Klub Orizzonte Catania zum erstenmal mit ihrem Sport Geld verdienen; eine Aufwandsentschädigung, wie sie sagt, für ihre laufenden Kosten. Profi darf sie sich nämlich nicht nennen; als Profi würde sie den Amateurstatus verlieren und nicht mehr in der Nationalmannschaft spielen dürfen.

Petra Olek ist 31, im Becken routiniert und erfahren, andererseits aber in einem Alter, in dem sich Sportler gewöhnlich eher mit Gedanken ans Aufhören als mit Experimenten beschäftigen. Doch wenn sie von Sizilien spricht, wirkt wie wie ein Kind vor der Einschulung, ein bißchen ängstlich, aber hauptsächlich aufgeregt. Schließlich ist sie die erste deutsche Wasserballerin, die ein Angebot aus dem Ausland erhalten hat. „Ab einem bestimmten Alter glaubst du nicht mehr daran“, sagt sie. Jetzt ist der Traum doch noch passiert, und deshalb wird sie ihn leben, „egal, mit welchen Konsequenzen“.

Ihre Arbeitsstelle hat sie schon gekündigt, die Wohnung wird sie demnächst aufgeben, ihren Freund läßt sie in Dortmund zurück. Das ist ziemlich mutig in einer Zeit, in der nichts mehr sicher ist und es hierzulande wirklich niemanden interessiert, daß man mal ganz gut Wasserball gespielt hat. Und das alles nur, „um ein halbes Jahr frei zu sein“, wie Bundestrainer Bert Brangs das nennt. Aber er sagt auch, daß er sie gut verstehen könne. „Davon spricht sie sicher in zehn Jahren noch.“

Petra Olek weiß um das Risiko, alles aufzugeben, was ihr Leben zur Zeit ausmacht. Aber auch, daß sie nie wieder eine solche Möglichkeit bekommen wird. „Ich denke lieber nicht soviel darüber nach“, sagt sie, und daß sie hofft, nach dem Ausflug wieder als technische Zeichnerin eingestellt zu werden. Brangs will sie dabei unterstützen, weil er nicht nur im Wasser ihr Chef ist. Ob es mit der Rückkehr klappt, liegt allerdings nicht an ihm allein, „es muß schon Arbeit da sein“, sagt er.

Egal, die Entscheidung ist längst getroffen, und Petra Olek wird sich ihre Vorfreude nicht nehmen lassen. Zweimal täglich wird sie in den Pool müssen, kein Problem, dafür „habe ich ja sonst immer Freizeit“. Außerdem ist Wasserball in Italien eine angesehene Sportart und Orizzonte eine Mannschaft mit Chancen in Meisterschaft und Pokal. Fürs Drumherum ist gesorgt, alles läuft professionell. Auch sportlich dürfte die Berlinerin wenig Probleme haben. Das Niveau im Land des Europameisters ist zwar höher als in der Bundesrepublik, aber hier ist „Petra sowieso die Beste“, sagt Brangs, ach was, „eigentlich auch in Europa“. Seit Jahren spielt sie im Nationalteam, 1985 gewann sie bei der EM eine Bronzemedaille.

Deshalb freut sie sich, daß in Italien ihr Sport „nicht nur mich alleine interessiert“. Über jedes Spiel wird in den Zeitungen berichtet, fast alles wird live übertragen. „Über 500 Zuschauer kommen da zum Spiel“, sagt Petra Olek. In Deutschland ist das anders: „Da sitzen auf der Tribüne drei Figuren: Freund, Tante, Oma.“ Schluß.

Ein halbes Jahr bleibt ihr Zeit, die andere Welt zu genießen. Dann kommt sie wieder, um zu „schauen, was hier so los ist“. So schön soll es dort ja auch wieder nicht sein. „Sagen die Italiener.“ Sagt Petra Olek.

Na dann, gute Reise.