piwik no script img

Aquarelle malen in Kreuzberg

■ Die 30jährigen sind die Minirentner von morgen. Zwei Beispiele

Noch lange hin ist es bis zum Jahre 2030. Aber schon heute ist klar: das dann fällige gesetzliche Altersruhegeld wird sehr bescheiden ausfallen. Schon nach den jüngsten Gesetzesänderungen schmälern Kindererziehungszeiten und lange Studienzeiten die künftige Rente. Die Rente wird noch geringer, wenn die neuesten Pläne aus der Blümschen Rentenreformkommission umgesetzt werden. Danach soll das Renteniveau bis zum Jahre 2030 um zehn Prozent sinken. Zwei konstruierte Fallbeispiele:

Ute Schmidt ist 32 Jahre alt und war zehn Jahre an der Uni immatrikuliert. Das war billiger wegen der Krankenversicherung, zählt aber künftig nur wenig bei der Rente. Fünf Jahre arbeitet sie als Graphikerin und erzielt dabei einen Durchschnittsverdienst (derzeit 4.250 Mark brutto). Drei Jahre lang erzieht Ute Schmidt ihr Töchterchen. Danach geht sie acht Jahre lang auf eine halbe Stelle, mit einem halben Durchschnittsgehalt. Dann wird sie ein Jahr arbeitslos, es folgt ein auf zwei Jahre befristeter Vertrag, danach ein Jahr lang eine halbe Stelle und schließlich immerhin ganze zehn Jahre lang ein Job mit (nach heutigem Wert) 3.800 Mark brutto im Monat.

Als sie 60 Jahre wird, wechselt sie nach dezentem Mobbing durch den Arbeitgeber auf eine halbe Stelle. Mit 65 Jahren, also im Jahr 2030, geht sie in Rente. Die arbeitssame Frau Schmidt bekommt – nach heutigem Geldwert – nur 1.172 Mark Rente. Das ist zwar noch über Sozialhilfeniveau. Dennoch wird Frau Schmidt in Berlin- Kreuzberg ihr Alter weniger mit Reisen als mit billigeren Hobbies wie Aquarellemalen, Lesen und Spazierengehen verbringen. Es sei denn, sie hat geerbt.

Matthias Golz ist heute 27 Jahre alt und „leistungsbereit“, wie es so schön heißt. In einem Jahr wird er sein Publizistikstudium abschließen. Dann war er acht Jahre immatrikuliert. Er bekommt einen Einstiegsjob für vergleichsweise mickrige 3.800 Mark brutto. Nach vier Jahren landet er bei einem besser zahlenden Blatt und kassiert 5.000 Mark brutto (nach heutigem Wert). Nach weiteren vier Jahren nimmt er ein Erziehungsjahr für sein Töchterchen und kehrt danach zu seiner Zeitung zurück. 15 Jahre Vollzeitjob folgen.

Im Jahre 2022 geht sein Blatt pleite, Golz wird ein Jahr arbeitslos und findet dann noch mal einen durchschnittlich bezahlten Job. Im Jahre 2030, mit 60 Jahren, geht er vorzeitig in Rente. Das kostet ihn einen Rentenabschlag von 18 Prozent. Golz bekommt nur ein gesetzliches Altersruhegeld von 1.324 Mark im Monat. BD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen