: „Es war klar, daß es keine Rückgabe der Grundstücke gibt“
■ Im Streit um die ostdeutsche Bodenreform greift Ex-DDR-Ministerpräsident de Maizière den Justizminister an
taz: Herr de Maizière, warum streitet man heute immer noch über den Inhalt des deutsch-deutschen Einigungsvertrages? Sind die Aussagen zu den ostdeutschen Enteignungen, die zwischen 1945 und 1949 stattfanden, nicht eindeutig genug?
Lothar de Maizière: Doch, der Einigungsvertrag ist eindeutig. Dort heißt es unmißverständlich: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher beziehungsweise besatzungshoheitlicher Grundlage – von 1945 bis 1949 – sind nicht mehr rückgängig zu machen.“
Bundesjustizminister Schmidt- Jortzig sieht das aber anders. Er beruft sich auf den Passus, „daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß“. Der Ausgleich kann nach seiner Meinung auch in der Rückgabe der Grundstücke bestehen.
Schmidt-Jortzig war doch damals gar nicht dabei. Bei der Unterzeichnung des Einigungsvertrags war völlig klar, daß der Ausgleich nicht in einer Rückgabe der Grundstücke bestehen kann.
Was die Unterzeichner damals gedacht haben, ist Schmidt-Jortzig nach eigenen Angaben völlig egal. Der Vertrag müsse juristisch ausgelegt werden. Was verstehen denn Sie unter staatlichen „Ausgleichsleistungen“?
Der Begriff sollte und soll auch heute noch klarstellen, daß es keine volle Entschädigung für die Enteigneten gibt. Eher so etwas wie den Lastenausgleich nach dem Krieg.
Warum wollte denn die letzte DDR-Regierung unbedingt die Nachkriegsenteignungen aufrechterhalten? Für die Enteignungen, die zu DDR-Zeiten stattfanden, haben Sie nach einigem Zögern doch auch das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ akzeptiert...
Wenn die Nachkriegsbodenreform rückgängig gemacht worden wäre, hätte dies zu erheblicher sozialer Unruhe in Ostdeutschland geführt. Dann wären Verhältnisse restauriert worden, über die die Geschichte hinweggegangen ist. Außerdem wollten wir eine weltmarktfähige Produktionsfläche für die Landwirtschaft erhalten.
Wer kann heute die Rechte der untergegangenen DDR aus dem Einigungsvertrag geltend machen?
Wenn der Einigungsvertrag verletzt wird, dann können die ostdeutschen Bundesländer beim Verfassungsgericht klagen. Und zwar genügt für die Klage ein einziges Land.
Schmidt-Jortzig hat den ostdeutschen Kritikern seiner Pläne vorgeworfen, daß sie noch im „Gehäuse jahrzehntelanger sozialistischer Wertediktatur“ gefangen seien. Trifft Sie das?
Natürlich. Der Justizminister spricht über die Ostdeutschen wie über geistig Behinderte.
Ihr Verhältnis zum Justizminister scheint nicht das allerbeste zu sein...
Man sagt, uns verbände inzwischen eine herzliche Gegnerschaft. Interview: Christian Rath
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