■ Von wegen, hierzulande gäbe es keine Debattenkultur: Am fünften Tag der Debattenwoche auf der Wahrheit diskutieren unsere Kontrahenten über das, was am Ende immer dabei herauskommt, und auf wessen Kosten das überhaupt alles geht
: Die Zeche zahlt der kleine Mann. Oder die kleine Frau

Über Harald Juhnke sind die Ansichten geteilt. Die einen halten ihn für einen kretinösen Säufer, andere für einen versoffenen Kretin, manche sogar für den einzigen deutschen Entertainer mit Las-Vegas-Format. Eines aber ist Juhnke gewiß nicht: ein kleiner Mann. Er ist 1,80 groß, ein großer Schauspieler und ein großer Zecher. Nie würde er sich seine Zeche von dem kleinen Mann zahlen lassen, solange er bei Bewußtsein ist. Und schon gar nicht von dessen Frau, denn noch bei drei Promille gibt er den Kavalier alter Schule wie kein zweiter.

Auf den ersten Blick mag der Hinweis auf Harald Juhnke am tieferen Sinngehalt des Spruchs vom kleinen Mann und seiner Frau vorbeiwanken. Näheres Hinsehen aber macht deutlich, daß es keinen tieferen Sinn gibt, Juhnke als Allegorie auf den Zechenzahler also doch Sinn macht, wenn auch Sinn im Unsinn.

Das haben Sie nicht verstanden? Gut, für Sie ganz von vorne. Begriffsklärung: Wer sind der kleine Mann und seine Frau? Welche Zechen zahlen sie eigentlich? Ist doch klar, werden die Fürsprecher der kleinen Leute sagen, die sich selbst nicht dazuzählen, das sind die Bürger, die schuften und rackern, die Arbeiter, Handwerker, Hausfrauen, Verkäufer, die den Staatsunfug mit ihren Mehrwertsteuern zahlen: Raketen, Autobahnen, Gefängnisse, Magnetschwebebahnen...

Sozialrevoluzzerkitsch, antworte ich. Fragen Sie diese kleinen Leute selbst, die Kleinbürger, Kleingärtner und Kleingeister, welche Zeche sie angeblich zahlen. Oder lesen Sie es täglich in der Bild-Zeitung: die Zeche für Terroristentheater, Scheinasylanten, Sozialschmarotzer, Wachtelkönigreservate, Rauschgift aus der Staatskasse und Erlebnisreisen für junge Totschläger, so werden Sie ihn giften hören, Ihren feinen kleinen Mann. Und dann brummt er mit seiner Frau in seinem Golf GTI über die Autobahn, fliegt mit Neckermann nach Kenia, um sich den weißen Wanst zu rösten, verseucht die Luft und läßt seinen kleinen Köter die Bürgersteige vollscheißen. Der Schaden, den der kleine Mann anrichtet, ist durch seine mickrige Steuerzeche nicht mal annähernd zu decken. Von wegen „zahlen immer die Zeche“. Der Spruch ist eine brüchige ideologische Folie über dem Wohlstandschauvinismus des neuen Spießbürgers. Die wirklich Bedürftigen interessieren ihn einen Dreck. Für jede Mark, die in die Dritte Welt geht, hallt es durch die Wohllandschaften und in den Eigenheimen der kleinen Leute: „Und ich zahl' mal wieder die Zeche.“

Je länger man über den kleinen Mann nachdenkt – und seine Frau –, desto mehr muß man dem großen dicken Mann Kohl danken, daß dieses Volk nicht die Regierung hat, die es verdient.

Letztlich sind es große Männer wie Juhnke, die die Zeche zahlen: mit ihrem Geld, ihrer Gesundheit, ihrer Leber, und letztendlich mit ihrem Leben, während kleine Männer wie Til Schweiger, der Lothar Matthäus der neudeutschen Filmkomödie, lamentieren. Deshalb rufe ich dem kleinen Mann und seiner Frau zu: Haltet endlich den Rand! Joachim Frisch

Man muß sich doch nur einmal umsehen. Die Staatskassen sind leer, im Hallenbad wird das Wasser immer kälter, und die Schaukel auf dem Spielplatz gegenüber knarzt auch schon ganz bedenklich. Und alles nur, weil gewisse Repräsentationsfiguren ihre Töchter in der Schweiz mit Bundeswehrflugzeugen besuchen müssen – nachweislich auf meine Kosten.

Nicht, daß man je von einer Behörde gehört hat, die mir wenigstens den Weihnachtsbesuch bei meinen Eltern finanziert hätte. Aber kaum habe ich mein kleines Auto vor der heimatlichen Haustür abgestellt, steht da ein Regierungsbüttel, ausgerüstet mit Zollstock und zweifelhaften Bestimmungen, um wenigstens die Treibstoffkosten für bundestagspräsidiale Familienzusammenführungen wieder einzufahren. Niemand wird abstreiten können, daß ich in diesem Fall sogar gleich ZWEIMAL die Zeche gezahlt habe. Dieselbe, wohlgemerkt.

Dieses jüngste Beispiel sowie die Tatsache, daß ich den Großteil meiner Jugend im Gepäckfach des elterlichen VW Käfers verbracht habe, bestärken mich in der Gewißheit, daß die Zeche immer die kleine Frau zahlt. Jedenfalls meistens. Das fängt schon beim Allerwichtigsten, beim Küssen, an. Allzuoft kommt man einfach nicht richtig dran, ein steifes Genick und Knöchelschmerzen sind der Preis. Ein großer Mann ist also ein rechter Mist. Weicht man jedoch auf einen kleinen aus, hat man die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Denn entweder erwischt man eine von diesen Schafsnasen, die selbst immer irgendwelche Zechen zahlen, mißmutig werden und einem das Leben vergällen. Oder man gerät an einen mit Napoleon- Komplex. Die haben immer nur eine Hand frei und sind nie daheim. Weil sie nämlich in ihrem Büro Heere bilden und andere Abteilungen überfallen, bis sie am Ende, obwohl geschlagen, auch noch im Geschichtsbuch landen. Die kleine Frau sitzt in der Zwischenzeit daheim und kriegt Krähenfüße. Große und kleine Männer eint allein, daß sie nach ausführlichen Restaurantbesuchen gern ihr „Portemonnaie im andern Jackett“ stecken haben.

Auch sonst ist die kleine Frau Schikanen aller Art ausgesetzt. Beispiel Mode: Immer, immer, immer sind Ärmel und Hosenbeine zu lang – aber natürlich, die kleine Frau muß sogar, was sie abschneidet, mitbezahlen. Auch kommt die kleine Frau nicht an die oberen Fächer der in unverschämte Höhen getriebenen Bücherregale. Sie bleibt somit entweder partiell blöd oder fällt von der Leiter, wird erwerbsunfähig, und dann ist sowieso alles aus.

Ähnliches gilt in Supermarkt und Küche: Die schönsten Zutaten schweben stets unerreichbar ganz oben, und die Pastetenform steht im metertiefen Küchenschrank ganz hinten. Die Folge: Vorwürfe vom Mann (groß oder klein, egal) wegen eintönigen Kochens, Streit, Verzweiflung, Neurodermitis.

Nach diesen beliebig erweiterbaren Ausführungen bleibt nun wohl nur noch die generelle Anerkennung der eingangs getroffenen Feststellung: Die Zeche zahlt immer die kleine Frau. Die Anschaffung eines Quittungsblocks wird empfohlen. Barbara Häusler