10.000 Polizisten erwartet der Horror

Die Pläne für den Castor-Transport am 3. März stehen: Die Polizei will die sechs Behälter notfalls im AKW Unterweser lagern. Die BI ist optimistisch, den Transport zu verhindern  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Der Countdown des Gorleben-Transports im Sechserpack läuft: 42 Polizeihundertschaften und zahlreiche technische Spezialeinheiten hat das niedersächsische Innenministerium längst aus der ganzen Republik für die erste Märzwoche angefordert. Aus Niedersachsen selbst sollen wieder 5.000 Polizisten im Wendland an den Castor- Straßen zwischen Dannenberg und Gorleben zum Einsatz kommen.

Der sechste der Gorleben-Castor-Behälter wird gerade am französischen Cap La Hague mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung beladen. Die anderen fünf Atommüllbehälter warten auf ihren Abtransport: Am AKW Neckarwestheim stehen drei 120 Tonnen schwere Castor V/19 mit je 19 abgebrannten Brennelementen. Schon vor einem Jahr wurde im AKW Gundremmingen ein 80 Tonnen schwerer Castor 1 C mit 16 Brennelementen gefüllt. Auch in La Hague in der Normandie ist ein weiterer 100-Tonnen-Castor mit in Glas eingeschmolzenen WAA-Abfällen abfahrbereit.

Polizei und Bundesgrenzschutz haben die Planungen für ihren Großeinsatz am 3. Und 4. März schon im Herbst 1996 begonnen. Nahe Neckarwestheim, am konventionellen Kraftwerk Walheim, sollen die vier Castor-Behälter mit den Brennelementen zusammengeführt werden, bevor sich am 3. März der Zug in Bewegung setzt. Erst auf dem Weg gen Norden sollen dem Vernehmen nach die beiden Castor-Behälter aus Frankreich dazustoßen. Neben den 9.000 Polizisten im Wendland werden nach Angaben des Innenministeriums in Hannover rund 10.000 Polizisten und Grenzschützer am 3. März die Bahnstrecken zwischen Mannheim und Dannenberg bewachen. Etwa 650 Meter lang – so glaubt die BI Lüchow-Dannenberg – könnte der Zug, der in Begleitwaggons auch BGS-Beamte zu transportieren hat, am Ende sein. „So zügig wie möglich“ will die Polizei am folgenden Tag die sechs Castor-Behälter vom Bahnhof Dannenberg aus über die 16 Kilometer lange Straßenstrecke ins Gorlebener Zwischenlager bringen. Nur gut sechs Stunden hat man für das Umsetzen der sechs Behälter von der Schiene auf die Straßentieflader veranschlagt. Bereits am 4. März sollen alle Behälter das Gorlebener Zwischenlager erreichen.

„Unsere Planungen sind eine Sache, die Verhandlungen auf der politische Ebene eine andere“, sagte der Sprecher von Innenminister Gerhard Glogowski. Dessen Idee war der Transport im Sechserpack. Durch diese „Bündelung“ möchte er die Polizeieinsatzkosten pro Castor senken. Glogowskis Sprecher gibt allerdings zu, „daß dieser Transport zu einem Horroszenario für die Polizei werden kann, wenn diesmal im Landkreis Lüchow-Dannenberg nicht 8.000 oder 10.000, sondern 15.000 oder 20.000 Menschen protestieren“. Die BI Lüchow-Dannenberg will von einem Ausweichquartier für die sechs Castor-Behälter erfahren haben. „Im Notfall werden diese dann in das AKW Unterweser gebracht“, gibt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke eine „vertraulich zugegangene“ Information wieder.

Gegen den Sechsertransport und für den Atomausstieg will die BI diesmal an den Transporttagen demonstrieren. „Wir werden mehr werden als beim letzten Transport“, steht für BI-Sprecher Ehmke fest. Die Bürgerinitiative sieht diesmal gute Chancen, die Transporte ins Zwischenlager „endgültig zu kippen“.

Daß dies mehr als nur ein frommer Wunsch der BI ist, zeigen die jüngsten Äußerungen von Ministerpräsident Gerhard Schröder. In den Energiekonsensgesprächen seien eine Reihe von Details „noch unentschieden“, sagte Schröder am Mittwoch im Plenum des niedersächsischen Landtags. Dazu gehöre „die von uns verlangte Einstellung der Castor-Transporte jetzt, weil wir sie nicht für notwendig und für überflüssig halten“. Bundesumweltministerin Angela Merkel hat in den Ernergiekonsensgesprächen verlangt, noch bis zum Jahr 2000 Atommüll aus Süddeutschland ins Gorlebener Zwischenlager zu bringen. Niedersachsen hat dies bisher nicht akzeptiert, will die Transporte sofort gestoppt sehen. „Der Bund ist noch zögerlich. Ich hoffe, es wird gelingen, ihn auf unsere Position zu bringen“, gab sich Gerhard Schröder vor dem Landtag optimistisch.

Der Sprecher der Staatskanzlei in Hannover erklärte anschließend, daß eine sofortige Einstellung der Castor-Transporte natürlich auch den aktuell geplanten betreffen müsse. Dann würden die Brennelemente in den vier Behältern aus Süddeutschland aller Voraussicht nach zur Zwischenlagerung nach La Hague gebracht werden. Welche Weg die beiden mit dem WAA-Müll aus Frankreich nehmen könnten, hat die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministerium bereits angedeutet. Für WAA-Abfälle aus Frankreich komme ja demnächts auch das Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus in Frage. Das dieser Plan in dem von Rot-Grün regierten Nachbarland nicht auf Gegenliebe stößt, konnte man Schröders Äußerungen vor dem Landtag entnehmen. Der Countdown für den nächsten und größten Goleben-Transport läuft, aber über den Start der sechs Behälter ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Noch vor dem Transporttermin werden sich Gerhard Schröder, Franz Müntefering, Angela Merkel und Friedrich Bohl zu einer Konsensrunde treffen. Folgt man einer beiläufigen Äußerung von Monika Griefahn, so ist dieses Gespräch für den 24. Februar terminiert. Gerhard Schröder hat bisher in den Atommüllrunden in allen Punkten nur Zugeständnisse gemacht und hat einen Erfolg bitter nötig. Für die BI wäre eine Absage des Sechsertransports nur ein Teilerfolg. „Ohne eine Debatte um den Atomausstieg läßt sich der Streit um die Atommüllagerung nicht schlichten“, sagte BI-Sprecher Ehmke.