: Schönbohm jagt Bosnienflüchtlinge raus
■ Nach Druck zur freiwilligen Rückreise schiebt Innensenator Schönbohm jetzt BosnierInnen ab, Grüne und PDS protestieren und fordern Abschiebestopp. Beratungsstelle befürchtet Panik unter BosnierInnen
Machtspiel von Innensenator Jörg Schönbohm: Gestern wurden ohne Vorankündigung die ersten beiden bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge abgeschoben. Am Mittwoch kamen vier BosnierInnen in Abschiebehaft. Einer Anwältin gelang es, zwei wieder herauszubekommen. Doch damit nicht genug: Gestern wurde erneut ein Bosnier auf dem Weg zur Arbeit verhaftet. Nach Angaben seines Anwaltes Tilmann Kurz sei seine Abschiebung für heute vorgesehen. Der junge Mann läßt eine eingerichtete Wohnung, Auto und Sparguthaben zurück. Laut Grenzübertrittsbescheinigung war er erst im Juni zur Ausreise verpflichtet. Francine Jobatey, Sprecherin der Innenverwaltung, kündigte weitere Abschiebungen noch im März an. Die bosnische Regierung hätte bereits für 250 BosnierInnen die Identität bestätigt. Laut Rückübernahmeabkommen mit Bosnien-Herzegowina kann die Bundesrepublik von einer Zustimmung zur Wiederaufnahme ausgehen, wenn die bosnische Seite nicht innerhalb von drei Wochen nach Einreichen der Namensliste negativ reagiert. Dazu Elisabeth Reese von der Passionskirchengemeinde: „Die bosnischen Behörden können aber schon wegen Überlastung die Listen nicht prüfen.“ Seja Gobuseve von der bosnischen Botschaft in Berlin waren zwar die Berliner Abschiebewünsche bekannt, konkrete Absprachen hätte es aber nicht gegeben.
Schönbohm wolle mit den Abschiebungen „ein Signal“ zur freiwilligen Rückkehr an Berlins Bosnier senden. Bisher wären nur 1.200 Personen dem Rückkehrappell gefolgt. „Viele Leute wissen gar nicht, wohin sie zurück sollen“, sagte Elisabeth Reese. „Ihre Heimatorte liegen in heute serbisch besetztem Gebiet. Dennoch sind sie zur Rückreise verpflichtet.“ Reese erwartet Panik unter den bosnischen BerlinerInnen, wenn sich die Abschiebungen herumsprechen. Laut Schönbohm liegt die Verzögerung der Rückkehr nicht im Interesse des zerstörten Landes, „in dem jede Hand benötigt werde“. Er glaubt, daß auch Rollstuhlfahrer Häuser bauen könnten.
Nach Ismail Kosan gehe es Schönbohm nur darum, die Flüchtlinge schnell loszuwerden. Die PDS spricht von einem „politischen Muskelspiel“. Beide Oppositionsparteien fordern den sofortigen Stopp der Abschiebungen und vernünftige aufenthaltsrechtliche Regelungen.
Schönbohm behauptet, die Bosnien-Reise dreier Landesinnenminister im Februar hätte erneut betätigt, „daß die Rückkehr der Bürgerkriegsflüchtlinge nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist.“ Laut der kommunalen Ausländerbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern hatte diese Reise, an der auch ihr Minister teilnahm, jedoch nur durch „die relativ sicheren Gebiete Sarajewo und Bihać geführt.“ Die ohnehin explosive Lage im Land mit einer Million Binnenflüchtlingen werde durch Rückkehrer zusätzlich angeheizt. Marina Mai
Siehe auch Bericht auf Seite 23
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