: Entfesselte Marktwirtschaft
■ betr.: „Totsparen für den schnellen Gewinn“, taz vom 2. 4. 97
Danke für die deutlichen Zahlen, die Nicola Liebert leider zu zahm im Raum stehen läßt. Warum darf Wirtschaftsforscher Löbbe völlig unwidersprochen und unkommentiert von den „Früchten der Rationalisierung“ reden? Die Logik von Wirtschaftsbossen und -forschern scheint nicht weit auseinanderzuliegen.
Die sogenannte globalisierte, das heißt nichts anderes als entfesselte, Marktwirtschaft hat nur ein einziges Ziel: Sie will Gewinne machen, Geld anhäufen. Sie ist nicht sozial, sie ist nicht human, sie sichert niemanden ab, sie ist nicht einmal innovativ.
Diese Aktienkonzerne wollen nur fette Bilanzen, um Geld an ihre Besitzer auszuschütten. Ihnen liegt nichts daran, Menschen Arbeit zu geben. Wenn sie könnten, würden sie sich Roboter in die Regale legen, die sie nach Belieben an- und ausschalten und bei Bedarf wegwerfen könnten. Ihnen liegt schon gar nichts daran, die arbeitenden Menschen mit sinnvollen Aufgaben in humanen Bedingungen zu beschäftigen. Sie nehmen keine Rücksicht auf individuelle Fähigkeiten, Stärken oder Schwächen. Sie benutzen und erzeugen ein Klima der dauernden Angst vor Entlassung. So quetschen sie aus den arbeitenden Menschen quantitativ mehr heraus: Die Leute sind pünktlich, machen Überstunden, ohne zu murren, melden sich weniger krank. Aber sie verlieren ihre Motivation, ihre Kreativität, ihre Risikobereitschaft. Also entwickeln die Firmen nichts Neues, schon gar nichts, was der Gemeinschaft dient oder ihre Zukunft menschlich, sozial und ökologisch fördert. Sie produzieren Bilanzen auf den Schultern von immer weniger Beschäftigten, schieben Geld von einem Land ins andere, nennen das „den Zwang der Globalisierung“, werden immer reicher dabei, während die Armut zunimmt und die Gesellschaft kein einziges der Probleme löst, die unsere Zukunft bedrohen ... Harry Tobinski, Kiel
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