■ Bestattungsunternehmen sägte Leiche die Füße ab: Nimm die Beine in die Hand
Bonn (taz) – Oh, Florenz. Du schönste der toskanischen Städte. Wie bist du geschlagen mit deinen Bewohnern. Allesamt sind sie zu klein. Ist der durchschnittliche Westeuropäer seit den sechziger Jahren um zwölf Zentimeter gewachsen, scheint bei dir das Wirtschaftswunderwachstum nicht gegriffen zu haben. Hättest du es sonst zugelassen, daß im September des Jahres 1994 ein viel zu kurzes Sargmodell mit dem wohlklingenden Namen „Florentiner“ in die Beethovenstadt am Rhein entsandt wird?
Wenn doch, gibt es dafür keine Entschuldigung! Schau nur, oh geliebtes Florenz, wie sich der Bonner Bestatter plagen mußte, dem verstorbenen Bundesstädter die Füße abzusägen. Der Mann war knapp einsneunzig groß, der Sarg aber nur einmeterachtzig lang – zehn Zentimeter zuviel.
Kein Wunder, daß die arme herzkranke Witwe vor Schreck erblaßte, als sie die Zehenspitzen ihres Verblichenen unter dessen Achseln wiederfand. Einmal wollte sie ihn noch sehen – einmal noch die Erinnerung wachrufen an vergangene Zeiten, bevor er für alle Ewigkeit, na du weißt schon, Asche zu Asche – Staub zu Staub, und so weiter, man kennt das ja. 12.000 Deutsche Mark hat der Bestatter für sein Säge- und Gesamtwerk nach der Beerdigung des Mannes haben wollen. Zuviel für solche Schmach, dachte die Witwe. 6.000 Mark und keinen Heller mehr sollte er bekommen. Damit seien die Verletzungen zwar nicht wirklich abgegolten – doch vergelt's Gott. Sie überwies also nur den halben Betrag.
Vor der Exhumierung fuhr die Witwe in die Grube
Aber das Geschäft mit dem Tod härtet ab. Der Bestatter klagte am Bonner Amtsgericht gegen die alte Frau auf Zahlung der ausstehenden Summe. Die Dame sei schließlich selbst schuld, erklärte der Bestatter vor Gericht. Wer einen italienischen Exklusivsarg haben wolle, der bekomme auch einen – koste es, was es wolle. Und was nicht paßt, wird passend gemacht. Außerdem habe sie schließlich dem Mitarbeiter des Bestattungsinstituts verschwiegen, daß ihr verblichener Ehegatte Übergröße habe.
Zur weiteren Klärung ordnete das Gericht im Sommer 1995 die Exhumierung der Leiche an. Das war zuviel für die Witwe. Noch bevor die grausamen Tatsachen ans Tageslicht gelangen konnten, verstarb auch sie.
Für die geplagte Hinterbliebene trat jetzt die Tochter auf den Plan. Sie wollte nur, daß ihre Eltern endlich Ruhe finden, und war bereit, die Bestattungskosten voll zu übernehmen. Das Verfahren wurde also ad acta gelegt. Und damit sollte sie abgeschlossen sein.
Wenn die Trauer am größten ist, sitzt der Geldbeutel locker, dachte sich der Bestatter und bürdete der Tochter kurzerhand und umgehend auch noch seine gehäuften Verfahrenskosten auf.
1.400 Mark zuviel gingen somit auf das pralle Konto des Instituts. Dort rieb man sich schon die Hände: Was ich hab', das hab' ich, und das nimmt mir keiner mehr weg. Davon war der Bestatter überzeugt. Ein erneuter Rechtsstreit stand an. Eine Kleinigkeit war jedoch anders: Endlich verklagte mal jemand das Bestattungsinstitut.
Am Ende siegte die Gerechtigkeit. Nach zweieinhalb Jahren Leichenfledderei gab das Bonner Amtsgericht der Tochter am Mittwoch morgen in allen Punkten recht.
Oh, Florenz, du Stadt der kleinen Italiener. Mach doch einfach deine Särge ein wenig länger, und schon gibt es ein Stück weniger Schmerz auf dieser Welt. Thorsten Denkler
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