: Schlag gegen „Interim“
■ 500 Polizisten durchsuchten neun Häuser, um den Machern der Zeitschrift „Interim“ auf die Spur zu kommen
Bei der Polizei herrschte gestern Großkampftag: Auf der Suche nach HerstellerInnen und Vertriebsstrukturen des linksradikalen Wochenblattes Interim durchkämmte die Polizei gestern insgesamt neun Wohnungen und Häuser in Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln. 500 Polizisten und sechs Staatsanwälte waren im Einsatz – gesucht wurde nach elf Personen, gegen die wegen der Herstellung und Verbreitung der Interim ermittelt wird.
Um 10 Uhr am Vormittag rückten die Polizeieinheiten zeitgleich in den Hausprojekten Yorckstraße 59, Reichenbergerstraße 63a, Liebigstraße 14, Rigaerstraße 84 sowie in verschiedenen Wohnungen in der Pannierstraße, der Schinkestraße, der Arndtstraße, der Katzbachstraße sowie in einer Druckerei in der Cuvrystraße ein.
Der Staatsanwaltschaft ging es offensichtlich um die Strukturen der Zeitschrift: Durchsucht wurde nicht der öffentlich bekannte Briefkasten, durchsucht wurden auch keine Buchläden. In der Yorckstraße brach die Polizei eine Tür auf und durchsuchte nach Angaben der BewohnerInnen sämtliche Wohnungen einschließlich des Büros der Antirassistischen Initiative. Dabei wurden diverse Unterlagen beschlagnahmt und nach Augenzeugenberichten auch ein Computer aus dem Haus getragen. Die BewohnerInnen wurden während der Durchsuchung in einigen Räumen festgesetzt. Der anwesende Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck berichtete darüber hinaus, daß ein polizeiliches Spezialteam in Zivilkleidung die Einsatzkräfte begleitet habe.
In der Yorkstraße gab es nach Auskunft Kalecks neben dem Durchsuchungsbefehl zur Interim einen weiteren Durchsuchungsbefehl gegen zwei Personen wegen Verstoßes gegen das Pressegesetz. Grund: Bei einem Plakat, auf dem Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) als „Meister Propper“ bezeichnet würde, handele es sich um einen Aufruf zur Nötigung. Insgesamt, so sagen Augenzeugen, wurden in der Yorckstraße vier Personen festgenommen, darunter eine Touristin aus Uruguay.
Im Wohnprojekt Reichenbergerstraße wurden nach Angaben der BewohnerInnen mehrere Etagen durchsucht und eine Person zur erkennungsdienstlichen Behandlung mitgenommen. Die Polizei beschlagnahmte bei einer Wohngemeinschaft eine Telefonliste, ein „Plenumsbuch“ sowie einen Schlagstock.
Laut Durchsuchungsbeschluß vom 5. Juni diente die gestrige Durchsuchungsaktion dem Auffinden von Beweismitteln: Druckvorlagen, Fotos und Redaktionsunterlagen, „welche zu Herstellung, Druck und Vertrieb“ der Interim dienten. Außerdem suchten die Beamten nach Exemplaren der Ausgaben 406 und 411.
„Bereits über einen längeren Zeitraum ist eine Auswertung der Publikation erfolgt“, begründete Justizsprecher Rüdiger Reiff die Durchsuchungen gestern. Warum die Durchsuchung zum jetzigen Zeitpunkt erfolgte, wollte Reiff allerdings nicht mitteilen. Ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz sagte gestern: „Wir kennen das Blatt als autonome Publikation mit starker Neigung zu Gewalt – eine Veränderung in der letzten Zeit konnten wir aber nicht feststellen, es ist unverändert gewaltorientiert.“ Barbara Junge
Siehe Seiten 4, 10 und 22
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