: Der Sieger in Brazzaville ist Frankreich
Die schweren Kämpfe in Kongo-Brazzaville führen zur Verstärkung der französischen Militärpräsenz, ausgerechnet an der Grenze zu Laurent Kabilas Demokratischer Republik Kongo ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Der Bürgerkrieg in Kongo-Brazzaville erweist sich als mörderisch. Auf „mindestens 10.000 Tote“ schätzen französische Militärquellen die Bilanz der Kämpfe in der Hauptstadt Brazzaville. Die Regierungsarmee hat den Norden der Stadt, Hochburg des Oppositionsführers Denis Sassou-Nguesso, mit schwerer Artillerie sowjetischer Fabrikation bombardiert und dabei das dichtbesiedelte Quartier M'Pila verwüstet. Die über 2.500 evakuierten Ausländer sprechen von Plünderungen und Vergewaltigungen durch Regierungssoldaten. „Die Straßen sind voller Leichen, die Gebäude sind völlig zerstört“, sagte ein Händler gegenüber AFP. Ein französischer Arzt meinte: „Was in Brazzaville passiert, ist unbeschreiblich. Man läßt die Regierungstruppen belebte Stadtviertel beschießen.“
Mit anderen Worten: Frankreich läßt die Regierungsarmee gewähren. Einige der evakuierten Franzosen haben die französischen Diplomaten vor Ort beschuldigt, sich vor allem um Präsident Pascal Lissoubas Sicherheit gekümmert zu haben anstelle der ihrer Landsleute. Einige erwägen sogar eine Klage gegen die eigene Regierung wegen unterlassener Hilfeleistung.
1.250 Soldaten aus Frankreich sind mittlerweile in Brazzaville präsent – traditionell kein französischer Truppenstandort. Aber die Pariser Rolle in Kongo-Brazzaville ist nicht einfach die der Unterstützung einer Regierung. Die Soldaten sollen nicht in die Kämpfe eingreifen, obwohl Lissouba darum gebeten hat. Sie sahen sogar zu, als sich Armee und Milizen am Dienstag eine Schlacht um den Flughafen lieferten. Gefragt, ob Frankreich ihn fallengelassen habe, beschwerte sich Lissouba gestern gegenüber der Pariser Libération: „Was kann ich dafür? Ich kann es nicht dazu zwingen, uns zu helfen.“
Frankreich spielt in Kongo- Brazzaville eine entscheidende Rolle, ob es will oder nicht. Die ehemalige Kolonialmacht beherrscht die kongolesische Wirtschaft – zwei Drittel des Bruttosozialprodukts kommen aus der Ölförderung, die fast völlig vom französischen Elf-Konzern geleistet wird. Die Expansion der Ölindustrie fand in der Herrschaftszeit des heutigen Oppositionschefs Sassou-Nguesso statt, der Kongo von 1979 bis 1992 als Diktator regierte und dann die ersten freien Wahlen gegen Lissouba verlor. Lissouba galt nach seiner Wahl 1992 für Frankreich eher als unsicherer Kantonist, weil er die Ölindustrie US-Firmen öffnen wollte.
Auf eine entsprechende Forderung Sassou-Nguessos hin vermittelt jetzt auf Anstoß Frankreichs der Präsident von Gabun, Omar Bongo, und der Bürgermeister von Brazzaville, Bernard Kolelas. Neutral sind sie nicht zu nennen. Bongo ist Sassou-Nguessos Schwiegervater; Kolelas führt eine Partei, die zu Sassou-Nguessos Oppositionsallianz FDU gehört. Angesichts der rapide näherrückenden Präsidentschaftswahlen in Kongo-Brazzaville – die erste Runde soll am 27. Juli stattfinden, obwohl die technische Vorbereitung noch kaum begonnen hat – rivalisieren beide Konfliktparteien um die Gunst von Paris. Keine von ihnen hat die französischen Truppen angegriffen. Und Frankreich spielt offenbar beide Karten – womit es nicht verlieren kann.
Falls die Vermittlung von Omar Bongo klappt, so wird inzwischen überlegt, könnten die französischen Soldaten einen Waffenstillstand überwachen. Eine ähnliche Rolle spielen sie schon in der Zentralafrikanischen Republik in Folge der dortigen Armeemeutereien letztes Jahr. Sollte sich dieses Szenario bewahrheiten, würden in Brazzaville auf absehbare Zeit französische Truppen stationiert bleiben – die erste Ausdehnung der französischen Militärpräsenz in Afrika seit langer Zeit. Und mit Brazzaville und Bangui hätte Frankreich gleich zwei Militärbasen direkt an der Grenze zu Laurent Kabilas Demokratischer Republik Kongo.
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