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■ Berliner Szenezeitschrift „Interim“ wird kriminalisiertDie Hauptstadt ist bald chaotenfrei

Schon lange gab es bei den Berliner Strafverfolgungsbehörden eifrige Sammler der Szenezeitschrift Interim. Das Interesse galt dabei weniger den langatmigen Debatten um die linksradikale Kleiderordnung oder szenetypische Rangeleien um den richtigen, sprich: veganen Speisezettel. Vielmehr interessierten die in der Interim geführten Auseinandersetzungen im Vorfeld linksradikaler Großereignisse wie dem 1.Mai in Berlin oder der bundesweiten Mobilisierungen zum Castor-Transport im Wendland. Daß in der Interim auch regelmäßig Bekennerschreiben und Anleitungen zum Bau von Wurfankern und Brandsätzen abgedruckt wurden, fiel dabei weniger ins Gewicht.

Entscheidend für die neun Jahre währende „Duldung“ des Untergrundblattes war dessen Nachrichtenwert nicht nur für die autonome Szene, sondern auch für Staats- und Verfassungsschutz. Informationen, für deren Beschaffung in anderen Großstädten zahlreiche Spitzel und V-Leute zuständig sind, bekamen die Ordnungshüter in Berlin praktisch frei Haus – druckfrisch jeden Donnerstagnachmittag.

Mit der gestrigen Durchsuchungsaktion haben die Berliner Behörden ihre bisherige Linie revidiert. Nun stehen die Kriminalisierung einer im Vergleich zur radikal eher undogmatischen Szenepostille und die Verunsicherung der verbliebenen Linksradikalen Berlins im Vordergrund. Der Richtungswechsel war abzusehen. Denn Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) stellte häufig genug klar, daß Berlin als Hauptstadt des bunten und multikulturellen Deutschland mit der von ihm propagierten „nationalen Hauptstadt der Deutschen“ nicht vereinbar ist.

Die Mehrheit der Berliner und selbst der Koalitionspartner SPD folgen ihm bei dieser Säuberung im Namen der „Hauptstadtfähigkeit“ bedingungslos. Das zeigte zuletzt der 1.Mai. Um dem Rest der linken Szene von vornherein jeden Schneid abzukaufen, ließ Schönbohm weite Teile des Bezirks Prenzlauer Berg absperren und vermummte Polizisten in Aktion treten. Um den zivilen Charakter der Hauptstadt ist es derzeit schlecht bestellt. Es gibt keine nennenswerte Opposition mehr gegen diesen Law-and-order-Kurs. In Sachen Hauptstadtsäuberung herrscht eine unausgesprochene Arbeitsteilung: Schönbohm räumt mit besetzten Häusern, Wagenburgen und linskradikalen Presseorganen auf, die sozialdemokratischen SenatorInnen unter dem Motto „Sauberes Berlin“ mit Grafitti-Sprayern. Uwe Rada

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