: Plumpe Inszenierung
■ betr.: „Das Todesspiel“ und dazu erschienene Artikel
Die tendenziöse Intention von Breloers Film und das Unterschlagen nicht „ins Bild“ passender Informationen, etwa die (fast) vollständige Abwesenheit Irmgard Möllers, wurden bereits in einigen Artikeln zutreffend kritisiert. Neben den mehr oder weniger subtilen Hinweisen auf die offizielle Version des Selbstmordes der RAF-Gefangenen fiel mir eine besonders plumpe Inszenierung auf, die ZuschauerInnen ohne Knast- Erfahrung wohl kaum als solche aufgefallen ist.
In einer Szene im Film schraubt Andreas Baader einen Fernseher auf und siehe da – eine Pistole kommt zum Vorschein. Womit wohl erklärt werden soll, wie die Gefangenen an Waffen kommen konnten. Ich selbst sitze zur Zeit eine siebenmonatige Knaststrafe ab, zu der ich im Zuge meiner totalen Kriegsdienstverweigerung wegen sogenannter Fahnenflucht verurteilt wurde.
Nachdem ich wegen vorgeblicher „Arbeitsverweigerung“ – tatsächlich wohl eher, weil ich eine Meinung hatte und auch noch die „Unverfrorenheit“ besaß, diese gelegentlich zu äußern – aus dem offenen Vollzug abgelöst wurde, sitze ich nun im geschlossenen Vollzug. Elektrogeräte werden hier geöffnet, geprüft und dann versiegelt, damit sie nicht von Gefangenen geöffnet werden können. Eventuell vorhandene Mikrofone werden abgeklemmt. Nachdem mein Radiorecorder im offenen Vollzug nur einseitig versiegelt war, wurde er hier erneut – diesmal beidseitig – versiegelt. Musikcassetten werden mir nur ausgehändigt, wenn sie originalverpackt und vollständig durchsichtig sind – und das bei normalen Gefangenen.
Der Versuch Breloers zu suggerieren, daß sich Andreas Baader – Staatsfeind Nr. 1 – eine Waffe in einem Fernsehgerät auf die Zelle schmuggeln konnte, kann vor dem Hintergrund bundesdeutscher Knastpraxis nur als absolut dreist bezeichnet werden. Hier soll die Mär vom Selbstmord der RAF- Gefangenen mit allen Mitteln „durchgeprügelt“ werden – auf daß der Ball eckig werde. Heiko Thiele, JVA Uelzen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen