: Auf dem Platz steht die zweite Garnitur
Hertha BSC verpatzte den Start in die Bundesliga: Nun müssen in den nächsten Spielen Siege her, sonst bleibt die Rote Laterne am Aufsteiger hängen. Teure Neueinkäufe bislang ein Flop ■ Von Jürgen Schulz
Wie gut, daß sich Leistung im Fußball selten auszahlt, sonst wäre die Deutsche Meisterschaft frühzeitig entschieden und Berlin würde in einem blau-weißen Jubelmeer ertrinken.
Wahre Lobeshymnen sangen die Bundesliga-Klassenkameraden von Hertha BSC am vergangenen Sonntag auf den Neuling aus Berlin, so daß dessen Ergebnis in der Heimpartie gegen Mönchengladbach (fast) keine Rolle mehr spielte.
„Wir haben unglücklich verloren“, behauptete ein sichtlich verwirrter Hertha-Trainer Jürgen Röber, dem angesichts des erlebten Kombinationswirbels seiner Elf kurzfristig die Realität abhanden gekommen war. Nein, verloren hatte seine Mannschaft nicht, obgleich das Remis (2:2) gegen die Gäste einer Demütigung gleichkam: Wer kurz vor Abpfiff einer Partie 2:0 führt wie die Hauptstädter, der müßte den Vorsprung bequem über die Zeit retten. „Hertha war nicht clever genug“, höhnte Gäste-Star Stefan Effenberg.
Jetzt hat Hertha ein Problem. Nach nunmehr drei Bundesliga- Einsätzen rangieren die sieglosen Charlottenburger genau dort, wo sie nie hinwollten – auf dem vorletzten Platz der Tabelle, versehen mit zwei kümmerlichen Pünktchen wie das Schlußlicht Bremen.
Manager Dieter Hoeneß versuchte trotzig, der Enttäuschung gegen Mönchengladbach noch etwas Positives abzuringen. „Es war die Bestätigung, daß die Mannschaft in der 1. Liga mitspielen kann“, geizte der Schwabe nicht mit Optimismus.
Was er jedoch tunlichst verschwieg: Einem vereinsinternen Rechenexempel zufolge sollte just gegen den Rivalen vom Niederrhein eine furiose Siegesserie gestartet werden, die der Röber-Elf in den vier Spielen zehn Zähler – mithin drei Siege und ein Unentschieden – hätte bescheren sollen.
Ganz schön keß, dieser Berliner Aufsteiger. Nun müssen also drei Siege in Folge her, um das Plansoll zu erfüllen, aber sonderlich realistisch ist das nicht.
Statt dessen muß man der Zweitliga-Mannschaft aus dem Olympiastadion einen recht ordentlichen Fehlstart in die höchste bundesdeutsche Spielklasse attestieren, da ausgerechnet die Mehrzahl der neun – eigens für die „Beletage“ verpflichteten – Verstärkungen sich bislang rar machten auf dem Rasen. Bryan Roy (Nottingham) ist ebenso verletzt wie sein niederländischer Landsmann Dick van Burik (Utrecht). Verteidiger Hendrik Herzog (Stuttgart) durfte im Sonntagsspiel vorzeitig duschen, weil der Referee Anstoß nahm an seinem überharten Körpereinsatz – Platzverweis!
Möchtegern-Spielmacher Kjetil Rekdal (Rennes) ist noch meilenweit von seiner Bestform entfernt, und über Stürmer Alphonse TchÛmi (Buenos Aires) wird mittlerweile sogar kolportiert, er wäre des erstklassigen Kickens gar nicht mächtig. Das Gegenteil konnte der Kameruner bislang nicht beweisen, da er wie Torwart Gabor Kiraly aus Ungarn und „Bayern- Bomber“ Carsten Lakies nur auf der Reservebank schmort. Als Notnagel für die teuren Profis mit Ladehemmung springen Spieler wie Andreas Schmidt ein, der im Bundesliga-Unterhaus kaum zum Zuge kam, und der nun um seinen Verbleib im Hertha-Kader bangen mußte.
„Wenn jetzt schon Panik ausbricht, ist das Wahnsinn“, wehrt Coach Röber zwar verfrühte Spekulationen über die Sicherheit seines Arbeitsplatzes ab. Allerdings sind viele Hertha-Fans gebrannte Kinder, was Aufforderungen zu Ruhe und Normalität betrifft, weil sie während der letzten Bundesliga-Zugehörigkeit ihres Klubs (1990/91) geschlagene zehn Spieltage bis zum ersten Siegestaumel warten mußten.
Dann war es allerdings schon fünf nach zwölf, der Fußballstolz Preußens versank ohne Glanz und Gloria, nur mit kärglichen 14 Pluspunkten versehen, für sechs Jahre in der 2. Liga.
Die „neue Hertha“ geht freilich einen anderen Weg – in Eisenhüttenstadt will man nun das Jubeln lernen. Es sei an der Zeit, denn der letzte Sieg der Hertha 97 datiert vom 22. Mai (2:1 in Unterhaching).
Am Samstag führt die Auslosung im DFB-Pokal den Bundesligisten zu den No-name-Amateuren aus der 3. Liga. Falls die Herthaner in Eisenhüttenstadt den sensationellen Beweis antreten sollten, daß man nach dem Hochwasser in der Oder bereits wieder „baden gehen“ kann, dann allerdings schrillen im Olympiastadion die Alarmglocken in der noch jungen Spielzeit.
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