So ein schnittiges Profil

Filmfotografie als eigenständiges Genre: Zur Ausstellung mit Starfotos aus den zwanziger und dreißiger Jahren des Ufa-Fotografen Karl Ewald  ■ Von Elke Buhr

Denkt man an den Film „Der blaue Engel“, dann sieht man sie vor sich: Marlene Dietrich mit lasziv übereinandergeschlagenen Beinen, Zylinder, Strapsen und verführerischem Blick. So sieht sie aus, die Femme fatale des deutschen Films. Im „Blauen Engel“ selbst aber wird man genau dieses Bild vergeblich suchen. Das Foto ist nicht aus dem Filmstreifen geschnitten, sondern extra inszeniert worden. Der Fotograf war – höchstwahrscheinlich – Karl Ewald; einer der Fotografen, die in der Boomzeit des deutschen Films für die Ufa und andere Filmgesellschaften arbeiteten.

In der Galerie argus fotokunst von Norbert Bunge sind nun eine Reihe von Originalfotografien Ewalds zu sehen; ein Bruchteil seines Werkes nur, aber eine seltene Gelegenheit, überhaupt Filmfotografie einem Fotografen zugeordnet zu sehen.

Ewald, 1904 in Berlin geboren, begann kurz nach dem 1. Weltkrieg als Fotograf zu arbeiten, gerade zu der Zeit, als die Ufa in Babelsberg gegründet wurde. Er war bei unzähligen Filmproduktionen der 20er und 30er Jahre dabei.

In seinem Atelier in Neukölln porträtierte er erst die Diven und Helden der Stummfilmzeit, dann die Ufa-Stars und Publikumslieblinge des Tonfilms. Ob der notorische Alpenländler Luis Trenker, der intellektuelle Pomadenkopf Gustaf Gründgens oder die verrucht blinzelnde Camilla Horn: Ewald setzte sie in Szene. Doch er selbst als Fotograf blieb anonym und ist auch heute weitgehend unbekannt – deshalb ist es gelegentlich schwierig, ein Foto zweifelsfrei zuzuordnen.

Typisch für die Filmfotografie, die sich seit den zwanziger Jahren als ein eigenes Genre etabliert. Viel wichtiger als der Künstler hinter der Kamera ist der Star vor der Linse: Die Szenenfotos und Porträts waren als anonyme Auftragsproduktionen für eine sich schnell professionalisierende Filmindustrie eingebunden in das Marketing des Films. Und anders als bei den Klassikern des Fotojournalismus zum Beispiel wurden die Filmfotos bis heute nicht aus diesen Entstehungszusammenhängen gelöst: Noch immer werden sie gemeinsam mit den Dokumenten zu den Filmen archiviert, nicht als eigenständige Werke.

Dabei sind die ästhetischen Vorgaben, nach denen diese Fotos funktionieren, ganz anders als die von Stills im eigentlichen Sinne, also Bildern aus dem Film selbst. Sie sind weniger ein Fragment des Films als ein eigenes Ganzes: Sie müssen das typische, die Essenz des Films ausdrücken. Und das ging nur mit eigener, aufwendiger Bild- und Lichtregie. Man muß Theo Lingen und Heinz Rühmann nur stehen sehen – schon weiß man: Hier agieren zwei „pfiffige Kerle“, Unterschicht in Action. Und das Foto von Hans Albers zeigt: So ein schnittiges Profil kann nur einem echten deutschen Mann gehören.

Ob so ein Foto nun Kunst ist oder Kunsthandwerk, sei dahingestellt. Aber es zeigt: Über die Filmfotografie werden die Schauspieler und Schauspielerinnen erst zu den Ikonen, als die sie im kollektiven Gedächtnis gespeichert sind.

Marienstraße 25, Mi.–So. 14–18 Uhr, bis 28. September