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Zukünftiger Goldesel Gasag im Sonderangebot

■ Die Gasag schreibt zwar momentan rote Zahlen, hat aber künftig große Marktchancen. Energiekonzerne drängeln sich um den Landesanteil von 51 Prozent. Grüne für Verkauf an BWB

In einem handelt die Gasag wie das Land Berlin: Einen Teil ihres Tafelsilbers hat sie bereits verkauft. Der große unterirdische Gasspeicher im Grunewald wechselte im November 1996 den Besitzer. Der Speicher, der als die unternehmensstrategisch wichtigste Anlage des Gasversorgers gilt, ging für 600 Millionen Mark an die Energiekonzerne RWE und PreussenElektra (Preag). „Ein rein finanzpolitischer Vorgang“, meint dazu Gasag-Sprecherin Bettina Messer. Schließlich bleibe die Gasag „alleinige und uneingeschränkte Nutzerin des Speichers“, und die Pacht sei billiger als die Finanzierung. Mit dem Verkauf der Gasag-Anteile habe das Geschäft „überhaupt nichts zu tun“.

Mag sein. Trotzdem ist das verstärkte Interesse der deutschen Energieriesen Nummer eins und zwei am größten kommunalen Gasversorger Westeuropas kein Zufall. Denn RWE und Preag stehen auf der Liste der Konzerne, die sich um den Landesanteil an der Gasag von 51,2 Prozent bewerben. Und ihre Chancen sind nicht schlecht: Denn bereits seit der ersten Privatisierung 1994, als für die Pakete von 11,95 Prozent jeweils etwa 260 Millionen gezahlt wurden, sind mit dem RWE und der Preag-Mutter Veba zwei der größten deutschen Stromkonzerne und die Nummer eins am deutschen Gasmarkt, die Ruhgas AG, mit jeweils 11,95 Prozent an der Gasag beteiligt. Solcherart gewonnene Insiderkenntnisse können ein Verkaufsverfahren entscheiden. Das zeigt nicht zuletzt der Bewag-Verkauf, wo ebenfalls die deutschen Stromkonzerne zum Zuge kamen. Die Bewag schließlich spielt beim Gas-Monopoly ebenfalls mit: Auch sie hält 11,95 Prozent der Aktien. Auch sie bietet um die Gasag-Landesanteile mit.

Das Gerangel um die Gasag ist groß. Nach dem offiziellen Senatsbeschluß vom Februar 1997 schrieb das US-Investmenthaus Merrill Lynch die Aktien zum Verkauf aus. Die erste Runde des Bieterverfahrens ist inzwischen abgeschlossen und die Interessenten wurden zur Abgabe eines verbindlichen Angebots aufgefordert. Unter den Adressaten befinden sich die „üblichen Verdächtigen“, wenn es um den Energiemarkt geht: Neben Preag und der Bewag bieten auch die Wasserwerke (siehe oben) und die VNG mit. Aus dem Ausland bewerben sich der französische Gaskonzern Gaz de France und der US-Multi Enron, der deutsche Konzern Wintershall ist aus dem Rennen. Die beiden deutschen Konzerne RWE Energie und Ruhrgas haben sich zu einem Bieterkonsortium zusammengeschlossen, was allerdings bei der Aufstockung des Ruhrgas-Anteils das Bundeskartellamt auf den Plan rufen würde. Dennoch will das Konsortium aus RWE und Ruhrgas für die 51,2 Prozent Landesanteile etwa eine Milliarde Mark auf den Tisch legen.

Das entspricht etwa den Vorstellungen der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die für die Haushalte 1997 und 1998 jeweils mit etwa 6 Milliarden aus Vermögensverkäufen rechnet. Die Kalkulation der Investmentbank, der Wert der Gasag-Anteile betrage nur etwa 500 Millionen Mark, wird in ihrer Verwaltung zurückgewiesen. Für einen solchen Spottpreis werde man nicht verkaufen, hieß es.

Denn der Blick in die Bilanzen der Gasag täuscht, meinen Energieexperten. Das Unternehmen schreibt bei einem Umsatz von einer knappen Milliarde Mark und einem ebenso großem Eigenkapital bisher ständig rote Zahlen: Doch die Verluste sind in den letzten Jahren deutlich gesunken, 1996 standen 42 Millionen Minus auf der Jahresrechnung. Gas ist der Energieträger der Zukunft, ist sich Lutz Mez von der Forschungsstelle für Umweltpolitik der FU und Energieexperte sicher – und Berlin ist ein attraktiver Markt mit 750.000 Kunden und einem Liefergebiet von 900 Quadratkilometern. Nach der Umrüstung auf Erdgas, dem Anschluß an die russische Gas-Pipeline und der Modernisierung vieler Wohnungen steigt der Gasverbrauch in der Stadt steil an. Außerdem rüste bereits die Bewag einige ihrer großen Kraftwerke auf Gas um, so Mez. „Das ist billiger und der richtige Weg zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.“ Die Energiegewinnung der näheren Zukunft werde nicht mehr in alten Kohlekraftwerken und noch nicht in regenerativen Energien wie Wind oder Sonne liegen, meint Mez. Blockheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung seien aussichtsreicher. Die aber werden mit Erdgas betrieben: Ein weiteres Indiz dafür, daß Berlin mit der Gasag keinen maroden Hungerleider-Betrieb, sondern einen potentiellen Goldesel zum Verkauf anbietet.

Ein Markt der Zukunft sei vor allem auch das Angebot an Energiedienstleistungen wie Energiesparen und Energiemanagement, sagt Mez. Hier könne die Gasag der Bewag Paroli bieten. Auch deshalb biete die Bewag mit um die Gasag, um die Konkurrenz auf diesem Gebiet auszuschalten.

Statt für den Verkauf der Gasag an den Meistbietenden, bei dem den Energiekonzernen ungeheure Geldmengen zur Verfügung stehen, plädiert der umweltpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Hartwig Berger, für einen Erwerb durch die Wasserbetriebe. Damit, so Berger, erreiche das Land mehrere Ziele gleichzeitig: Erstens bliebe die Bestimmung über die Energiepolitik in der Hand der Politik. „Nach dem Fehler mit dem Verkauf der Bewag darf nicht auch noch das andere, kleinere Bein der Energiepolitik an die gleichen Konzerne verkauft werden“, so Berger. Zweitens könnten so die angekündigten etwa 1.000 Entlassungen bei der Gasag vermieden werden, da sie mit ihrem 6.600 Kilometer langen Rohrnetz zusammen mit der BWB ein interessanter Anbieter für Telekommunikationsnetze werden könnte.

„BWB und Gasag zusammen haben glänzende Aussichten, wenn man über den Tag hinausdenkt“, prophezeit Berger. Mit dem Gasag-Verkauf gebe Berlin ein Unternehmen aus der Hand, das in Zukunft Gewinne machen werde und „die Haushaltslöcher von morgen stopfen kann“. Bernhard Pötter

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