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Süd-Korea: Von der Krise zur Panik

■ Börsenkurse stürzen ab, Verschuldung ist höher als befürchtet

Berlin/Seoul (taz/dpa) – Die Finanzkrise in Süd-Korea weitet sich aus und reißt die gesamte Region in einen Strudel. Nur drei Minuten lang wurde gestern der südkoreanische Won an der Devisenbörse gehandelt, dann war der Kurs gegenüber dem US-Dollar auch schon um zehn Prozent abgestürzt. Danach wurde der Handel automatisch ausgesetzt. Am vierten Tag in Folge ist der Won nun um jeweils zehn Prozent gefallen; seit dem Sommer hat er über die Hälfte seines Werts eingebüßt. Die Aktienkurse in Seoul brachen gestern um 5,6 Prozent ein, ungeachtet dessen, daß die Regierung erst am Vortag den Zugang ausländischer Investoren zu Süd-Koreas Kapitalmärkten liberalisiert hatte.

Das Finanzbeben in Süd-Korea wirkt sich weltweit aus. Den höchsten Verlust fuhr die malaysische Aktienbörse ein (minus 7,4 Prozent), gefolgt von Thailand und Indonesien (je minus 4,8 Prozent). An der Wall Street verzeichnete am Mittwoch der Dow Jones Index einen Verlust von 0,9 Prozent, der Dax fiel gestern um 2,1 Prozent.

Das Entsetzen der Investoren ist eine Reaktion auf die Enthüllung, daß die kurzfristigen Auslandsschulden Süd-Koreas mit über 100 Milliarden Dollar fast doppelt so hoch sind wie bisher geschätzt. Damit ist fraglich, ob das letzte Woche geschnürte Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 57 Milliarden Dollar noch ausreicht.

Süd-Koreas Präsident Kim Young Sam muß nun den IWF um sofortige Hilfe anflehen. Noch dieses Jahr braucht Süd-Korea rund 20 Milliarden Dollar. Dieses Geld würde allerdings nicht dem krisengeschüttelten Land zugute kommen, sondern direkt an die Gläubiger gehen. Noch vor Jahresende muß Süd-Korea kurzfristige Zahlungsverpflichtungen über rund 20 Milliarden Dollar erfüllen. In einer Fernsehansprache übernahm Kim Young Sam die Schuld für die Finanzkrise.

Beobachter fürchten, daß sich die Finanzkrise in Süd-Korea zur Wirtschaftskrise ausweiten könnte. Viele Unternehmen benötigen dringend Geld, finden aber wegen des Währungsverfalls keine Investoren. Die IWF-Auflagen verknappen weiter das Geld. Bei dem Zinssatz von 25 Prozent sind auch Bankkredite keine Hilfe.

Vorgestern schloß die Regierung, einer IWF-Auflage gehorchend, fünf marode Investmentbanken. 14 Bankhäuser wurden inzwischen dichtgemacht. Die Finanzwelt konnten diese Maßnahmen jedoch nicht beruhigen. Inzwischen denken selbst die eisernsten Verfechter der globalen Marktwirtschaft wie der IWF-Chef Michel Camdessus darüber nach, ob nicht doch ein paar Kontrollen über die enthemmten Finanzmärkte nötig seien. lieb

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