Das Portrait: Italiens ewiger Wendehals
■ Francesco Cossiga
Will jetzt eine neue Rolle in Italiens Politik: Francesco Cossiga Foto: Reuters
In den 70er Jahren schrieb die Linke seinen Namen mit dem Doppel-Runen-S der deutschen SS; die Karikaturisten zeichneten ihn als „alte Schlafmütze“ – und allem wurde er gerecht. Francesco Cossiga, 1928 im sardischen Sassari geboren, Rechtsprofessor, erstmals 1958 ins Abgeordnetenhaus gewählt, hat so ziemlich alle Ämter bekleidet, die Macht verheißen. Er war Staatssekretär, Minister, zweimal Regierungschef und sieben Jahre lang Staatsoberhaupt. Und nun möchte er erneut Politik machen, als Chef der neugegründeten „Zentristen“, die er zwischen den Linken und den Rechten ansiedeln möchte.
In seine Amtszeit als Innenminister 1976–78 fallen die „bleiernen Jahre“ des Terrorismus: Cossiga war es, der den Paragraphen über „terroristische Vereinigungen“ einführte, die ersten Hochsicherheitstrakte schuf und die Höchstdauer der Untersuchungshaft anhob.
1978, als Aldo Moro, Präsident der Democrazia Cristiana und fünfmal Regierungschef, entführt wurde, zeigte Cossiga eine derart klägliche Unfähigkeit, daß mancher schon Methode dahinter sah. Als Moro dann tatsächlich ermordet wurde, trat Cossiga immerhin zurück – gedrängt von allen Seiten. Im Prozeß um den Mord an Moro machte er dann einen zerknirschten Eindruck, was ihn vielen wieder eher sympathisch machte; auf jeden Fall sah er aus wie ein Mann am Ende seiner Karriere, trotz seiner erst 55 Jahre.
Nichtnichten. Kurz danach wurde er in den Senat gewählt, stieg zu dessen Präsident auf – und wurde 1985 mit dem höchsten jemals erreichten Votum der Wahlmänner zum Staatspräsidenten gewählt: 93 Prozent.
Die erste Hälfte seiner Amtszeit zeigte er sich äußerst zurückhaltend, doch dann sah er sich plötzlich zum „großen Demolierer“ berufen, der die erste italienische Nachkriegsrepublik „mit Axtschlägen“ in Trümmer hauen muß, um Platz für eine neue, autoritärere Staatsform zu schaffen. Wer ihm darin nicht zustimmte, bekam Saures.
Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt 1992 bastelt er nun an einer neuen Karriere. Jetzt will er der Chef einer Gegenformation zwischen dem regierenden Mitte- Links-Bündnis und der Rechts-Allianz werden. Was wiederum eine typische Cossiga-Wende ist: Bisher war er der Meinung, daß nur ein striktes Zweiparteiensystem Italien zur Gesundung verhelfen könne. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen