: Bonn bewegt sich ein wenig
■ CDU, SPD und FDP begrüßen Einigung bei der Rentenreform. Grüne und Industrie üben Kritik
Bonn (taz) – Der Bonner Kompromiß einer einprozentigen Mehrwertsteuererhöhung zur Entlastung der Rentenkassen hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Die SPD zeigte sich relativ zufrieden, die CDU zufrieden, die FDP sehr zufrieden. Die Bündnisgrünen lehnten den Kompromiß ab. Kritisch äußerten sich Industrie und Handwerk.
Ab dem 1. April 1998 wird nun die Mehrwertsteuer von 15 auf 16 Prozent erhöht. Damit soll der Anstieg der Rentenbeiträge von heute 20,3 auf 21 Prozent verhindert werden. Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, Heribert Blens (CDU), sagte, das Ergebnis zeige: „Es geht hier noch was in Bonn.“ Der sozialpolitische Sprecher der SPD, Ottmar Schreiner, meinte, das Ergebnis sei kein Anlaß zu Jubelfeiern, zumal kein Durchbruch in der Frage der 610-Mark-Jobs erzielt worden sei. Die FDP habe ihren großen Koalitionspartner durch „erbarmungslose Erpressung auf Blockadekurs gezwungen“. Die Fraktionssprecherin der Grünen, Kerstin Müller, kritisierte, daß vor allem Sozialhilfeempfänger, Rentner und Studenten durch die Mehrwertsteuererhöhung benachteiligt seien, da sie nicht von den niedrigeren Rentenbeiträgen profitierten. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT), Hans Peter Stihl, sagte, die Mehrwertsteuer belaste Konjunktur und Arbeitsmarkt, da die Nachfrage geschwächt und Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft gefördert werden.
Unabhängig von der Einigung bei den Rentenbeiträgen hat der Bundestag gestern die Rentenstrukturreform mit Kanzlermehrheit endgültig beschlossen. Das von der Opposition heftig bekämpfte Gesetz tritt 1999 in Kraft und sieht die schrittweise Senkung des Rentenniveaus nach 45 Jahren Beitragszahlung von derzeit rund 70 auf 64 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens vor. Markus Franz
Aktuelles Seite 2, Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen