piwik no script img

Vertreter der Wirtschaft sehen kaum Vorteile

■ Die Bonner Einigung über Rente und Mehrwertsteuer wird als Minimalkompromiß kritisiert

Frankfurt (rtr/taz) – Die Einigung von Regierung und Opposition zur Stabilisierung der Rentenbeiträge ist von Volkswirten als Minimalkompromiß ohne nennenswerte wirtschaftliche Vorteile kritisiert worden. Die in Bonn vereinbarte Formel, am 1. April die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zu erhöhen, um den Rentenbeitrag bei 20,3 Prozent halten zu können, werde den ohnehin schwachen Konsum deutlich belasten und die Inflationsrate um etwa einen halben Punkt erhöhen, erklärten die Experten. Investitionen und Beschäftigung würden kaum gefördert, weil die Lohnnebenkosten durch den Kompromiß lediglich auf hohem Niveau festgeschrieben würden.

„Wir hatten für April 1998 eine Inflationsrate von 2,3 Prozent erwartet, jetzt dürften es 2,7 Prozent werden“, sagte Uwe Angenendt von der BHF-Bank. „Im Durchschnitt werden die Preise 1998 um etwa 2,5 Prozent steigen.“

Damit würde die Inflationsrate, im November bei 1,9 Prozent, deutlich über dem mittelfristigen Zielwert der Deutschen Bundesbank von 1,5 bis zwei Prozent steigen. Ob die Bundesbank darauf mit einer Zinserhöhung reagieren wird, blieb bei den Volkswirten ohne einheitliche Antwort. Holger Schmieding, Volkswirt bei Merrill Lynch, sagte: „Die Mehrwertsteuererhöhung könnte dazu führen, daß die nächste Tarifrunde höhere Lohnsteigerungen bringen wird. Das könnte der Bundesbank Sorgen machen.“ Für den Einzelhandel sei der Bonner Rentenkompromiß keine gute Nachricht, sagte Ulrike Kastens von Trinkaus & Burckhardt. Zwar würden die Verbraucher durch die Senkung des Solidaritätszuschlags 1998 auf 5,5 (bisher 7,5) Prozent und die Anhebung des Grundfreibetrags um knapp zehn Milliarden Mark entlastet.

„Die Mehrwertsteuererhöhung frißt diese Entlastung aber letztlich wieder auf“, sagte Kastens. „Erst eine wirkliche Steuerreform ab 1999 könnte dem Konsum wieder deutliche Impulse geben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen