Parteigelder der Exkommunisten in dunklen Kanälen

■ Vom Vermögen der ehemaligen kommunistischen Partei Polens fehlen Millionen. An den Transaktionen soll auch Präsident Kwaśniewski mitgewirkt haben. Ein Gericht prüft den Fall

Warschau (taz) – Ist Polens Präsident Aleksander Kwaśniewski ein Devisenschieber? Hat er Anfang 1990 über 7,5 Millionen Dollar aus dem Vermögen der aufgelösten Kommunistischen Partei in dunkle Kanäle fließen lassen? Justizministerin Hanna Suchocka will diese Vorwürfe nun vor Gericht klären lassen. Schon 1992 hatte die Staatsanwaltschaft in der Sache ermittelt. Doch bevor es zur Anklage kommen konnte, wurde die von der Solidarność geführte Regierung bei den Wahlen von den Postkommunisten abgelöst. Der damalige Justizminister Jercy Jaskiernia stellte das Verfahren ein. Auch Leszek Miller, der heutige Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (SdRP), kam damals mit einem blauen Auge davon. Die Affäre um das „Moskauer Geld“, mit dem angeblich die Nachfolgepartei der Kommunisten gegründet worden war, wurde nie aufgeklärt. Miller hatte einen Millionenkredit aus Moskau über einen Kurier des KGB zurückzahlen lassen. Vor kurzem veröffentliche das Magazin Wprost einen von Kwaśniewski, Miller und dem damaligen Schatzmeister der Sozialdemokraten unterzeichneten Vertrag über die Einlage von über zehn Millionen Schweizer Franken und 750.000 Dollar auf dem Konto des Rechtsanwaltsbüros von Mirošlaw Brych. Die Devisen sollten zur Abfindung ehemaliger Mitglieder des Parteiapparats der aufgelösten Kommunistischen Partei (PVAP) verwendet werden.

Ob dafür je ein Dollar ausgegeben wurde, ist nicht bekannt. Die Millionen verschwanden spurlos. Quittungen gibt es angeblich keine. Leszek Miller meint, die diversen Transaktionen seien legal gewesen, Kwaśniewski schweigt zu den Vorwürfen, und der Schatzmeister der SdRP verweist auf die Stiftung Büchner, die Parteizeitung Trybuna und einige der Partei nahestehende Unternehmen, die in den Genuß von Zuwendungen gekommen seien. Allerdings kann er sich weder an die Höhe der Summen erinnern, noch eine Quittung vorlegen. Piotr Büchner, der Vorsitzende der Büchner-Stiftung, dementierte inzwischen, auch nur einen Dollar erhalten zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hat nun eine schwierige Aufgabe vor sich. Denn sowohl Kwaśniewski als auch Miller genießen politische Immunität. Der neue Regierungsbeauftrage für die Anwicklung des PVAP-Vermögens hat von seinem postkommunistischen Vorgänger eine „unvollständige Akte“ übernommen. „Es ist nicht ausgeschlossen“, so erklärte Andrzej Herman in Wrpost, „daß Dokumente aus der Akte verschwunden sind“.

Laut Gesetz durften die Sozialdemokraten als Nachfolgepartei der Kommunisten zwar das Vermögen aus den Mitgliedsbeiträgen übernehmen, nicht aber Immobilien und andere Vermögenswerte, die die von der PVAP geführte Regierung an die eigene Partei überwiesen hatte. Dieser Teil des Parteivermögens sollte an den Staat zurückgegeben werden.

Der Schatzmeister der Sozialdemokraten Wieslaw Huszcza meinte nun, daß es sich bei den Devisen um Mitgliedsbeiträge von im Ausland lebenden polnischen Kommunisten gehandelt habe. Allerdings müßten diese gut verdient haben, um mit einem Prozent ihres Einkommens die Parteikasse so gut füllen zu können: mindestens eine Milliarde US-Dollar! Die seit September amtierende konservative Regierung hofft nun, auf dem Gerichtswege zumindest einen Teil des Parteivermögens der Kommunisten für den Staat zurückzuerlangen. Gabriele Lesser