Drittelironisch komisch

War Jesus ein Schwermetaller? Sind Ernie & Bert wie Hitler? – Phil sagt's mit dem Blick des 30jährigen Westberliners  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Phil ist großartig. Daß das inzwischen so ungefähr alle finden, spricht nicht gegen den Moabiter Comiczeichner und Entertainer, der mit 14 seine ersten Zeichnungen im Stadtmagazin Zitty veröffentlichte, später mal Punkmusiker war, 1991 absurderweise zum „Chauvi des Jahres“ gewählt wurde und mit seinen Comic- Helden Stups & Krümel, Ätzi & Fetzi und vor allem Didi & Stulle Berliner Sprache aufgriff und prägte.

Eine Zeitlang liefen wir oft kichernd mit komischen Ausdrücken wie „Geilomat“, „Halloknallo“, „Sago Bago“ oder „kurbelt schräg hinter Mutter“ durch die Gegend. Von außen gesehen wirkte das vermutlich ein bißchen gestört, wenn das Dreißigjährige machen. Am späten Abend versuchte man manchmal in komplizierten Sätzen zu erklären, was Phil Tägert zu einem großen Künstler macht, und scheiterte gewöhnlich, weil es eben spät am Abend war. Man sagte dann, er setzt seine Mittel optimal ein, er hat ein Ohr für die Sprache, die in der Stadt rumrennt, und ihre Veränderungen; der Ort, von dem aus er spricht, ist immer deutlich, ohne penetrant zu werden: das Westberlin der plötzlich mittlerweile Ende Zwanzig- bis Mitte Dreißigjährigen mit drittelironischer Heimat in den 80ern. Zufrieden ist man damit auch nicht. Als Phil dann plötzlich in einer Nacktpose, die superdeutlich mit den „Sekretärinnen“, bzw. „Kellnerinnen“-Plakaten kokettierte, für den Zitty-Titel posierte, war man peinlich berührt. Das hätte er nicht machen sollen.

Bis zum 27.6. ist er nun mit seiner beiläufig freundlich-spontanen „Phil&Sharkey-Show“ zu sehen. Angenehme Unterhaltung mit durchaus berührenden Elementen; eine sehr lässige Show mit vielen „characters“, die ein bißchen zynisch-naiv, lustig und vor allem sehr freundlich daherkommen. Es geht um Mutter, Sid Vicious, Sharkey, die pittiplatsch-piepsige Handpuppe, grausige Pantomimen; die 70er, 80er, 90er Jahre. Künstler und Zuschauer haben die gleichen Fernsehsendungen geguckt, die gleichen Helden verehrt und sehnen sich nach ihrer Kindheit. Ständig beschwört Phil dies immer schon peinlich in sich gespaltene „wir“ von '85, in dem man sich eher deplaziert zu Hause fühlt. Dies „wir“ unterscheidet ihn von der bislang bestimmenden Kabarettistenriege, deren Protagonisten in den 70ern (Beltz) oder frühen 80ern (Droste) an die Weltrevolution geglaubt haben und das alles abarbeiten müssen. Was schwierig ist, denn Spaß ist kein Spaß. Als Punks oder Punksympathisanten waren wir „eher so Spaßfeinde – det war unser Spaß. Langsam depressiv, aber irgendwie auch besser“. Und nun sind wir „dreißig und tragen T-Shirts mit Ernie und Bert. Das is' doch so, als ob unsere Eltern T-Shirts mit Adolf Hitler getragen hätten.“

Wenn die Helden selber zynisch waren, kann die Retroparodie ihrer Verehrung eigentlich nicht zynisch sein. „Sid Vicious, det war so'n Freak. Der ist doch gut. Laß doch mal den Sid in Ruhe. Der ist doch dufte!“ Wenn auch langsamer wie Blümchen. So. Wenn Phil „Freak“ sagt, klingt das ganz unpeinlich. Meine Freundin ist 26 und kennt Sid Vicious nicht.

Manches ist auch sozusagen allgemein und generationsübergreifend gültig, lustig und schön. Wenn Phil als christlicher Heavy-Metal- Musiker sein Lied über Jesus singt: „He's got metal in his hands/ he's got metal in his feet/ you can drink his blood/ and you can eat his flesh“, wenn er einen heterosexuellen Prolhandwerker spielt, der die üblichen komischen Sachen sagt („2er, 8er oder 16er Schlüssel“, „Dichtungsklappen vorverfugen“), oder wenn Sharkey, der kleine Hai, in der superanrührenden Schlußnummer die alte Freundschaft zu seinem berühmten Partner beschwört, der sich auf Plakaten prostituiert, abkassiert bei seinen Auftritten, nur noch mit Viva-Moderatoren rumhängt und die reichen Weiber flachlegt.

Bis 27. Juni, Di.–Sa., 20.30 Uhr, Mehringhof Theater, Gneisenaustr. 2a (25 Mark/erm. 20 Mark)