: Doktoranden gegen Dr. Merkel
GUTTENBERG Mehr als 17.000 Wissenschaftler protestieren gegen den nachsichtigen Umgang der Kanzlerin mit ihrem Minister. Doch Merkel vertraut weiter Guttenberg
BERLIN taz | Wissenschaftler haben am Montag vor dem Kanzleramt einen offenen Brief an Regierungschefin Angela Merkel (CDU) übergeben, in dem sie ihr in der Plagiatsaffäre eine „Verhöhnung“ der Wissenschaften vorwerfen. Merkels nachsichtige Haltung im Skandal um die gefälschte Dissertation von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) lege nahe, „dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele“, heißt es in dem Schreiben. Bis zum Abend hatten weit über 17.000 Doktoranden sowie mehr als 18.000 Unterstützer den Brief unterzeichnet.
Merkel hatte Guttenbergs Verbleiben im Amt damit begründet, sie habe ihn nicht als „wissenschaftlichen Assistenten“, sondern als Minister eingestellt. Die Kanzlerin ließ gestern durch ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten, sie bedauere keine Äußerung, „die sie in der Sache Guttenberg in den letzten Tagen gemacht hat“.
Die Kanzlerin könne Erregung und verletzte Gefühle in der wissenschaftlichen Welt durchaus verstehen, sagte Seibert. „Sie teilt aber nicht den Schluss, dass es sich um eine Missachtung der Wissenschaft handelt.“ Auf die Frage, ob Merkel so wie der Bayreuther Juraprofessor Oliver Lepsius Guttenberg als Betrüger einschätze, antwortete der Regierungssprecher: „Die Frage des Betrugs ist eine Frage des Vorsatzes. Diesen Vorsatz hat der Bundesverteidigungsminister verneint. Die Kanzlerin glaubt ihm.“ Sollte dennoch Betrug vorliegen, drohen Guttenberg strafrechtliche Konsequenzen.
Auch innerhalb der Koalition mehrten sich kritische Stimmen zu der Affäre. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, sie „schäme sich nicht nur heimlich“. Niemand solle auf die Idee kommen, „dass ich den Vorgang für eine Lappalie halte“. Allerdings nahm Schavan Guttenberg auch in Schutz: „Wer Wissenschaft ernst nimmt, muss nicht gleich den Stab über den Minister brechen.“ Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) soll gegenüber SPD-Abgeordneten geäußert haben, die Affäre und ihre Begleitumstände seien ein „Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie“.
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