piwik no script img

"Eine gewisse Harmonie sichern"

■ Städtische Wohnungsgesellschaften verschärfen Auswahl ihrer Mieter. Erwünscht sind mehr Besserverdiener. GeSoBau verschickt Ablehnungsbriefe, die der Mieterverein heftig kritisiert

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wie die Degewo verschärfen die Auswahl ihrer Mieter. „Wir wollen Leute, die Ordnung im Haus halten und nicht abgerissen sind“, sagt Manfred Schörnick, Sprecher der Degewo, die in Berlin mehr als 30.000 Wohnungen besitzt. Mit der strengeren Auslese wollen die Wohnungsbaugesellschaften eine „gesunde Mischung“ unter den Bewohnern herstellen. Das heißt: Möglichst sollen nicht mehr als 15 Prozent Ausländer die Häuser bewohnen, außerdem weniger Sozialhilfeempfänger, dafür aber mehr Gutverdienende.

In vielen Großsiedlungen leiden die Gesellschaften darunter, daß Besserverdienende sich ins Berliner Umland absetzen. Zurück blieben die, die Mietschulden hätten oder ihre Wohnung nicht pflegten, sagt Schörnick von der Degewo. Mit der strengeren Auswahl sollen Großsiedlungen wie die Schlangenbaderstraße in Wilmersdorf nun wieder attraktiver werden. In Bonn sollen auch Beamte geworben werden. Seit der Senat die Fehlbelegungsabgabe und Belegungsbindung teilweise aufgehoben hat, drängen die Aufsichtsräte der Gesellschaften darauf, mehr Besserverdienende einzuquartieren und die Bewerber härter auszuwählen.

So verschickte die GeSoBau, die 60.000 Wohnungen in Berlin besitzt, im vergangenen Monat 55 Ablehnungsbriefe mit folgender Begründung: „Im Interesse unserer hier wohnenden Mieter wollen wir eine gewisse Harmonie im Zusammenhang mit Alter, Sozialstruktur, kulturellen und traditionellen Gewohnheiten sicherstellen.“ Diese Harmonie würden die Bewerber gefährden. Bei der Gesellschaft hagelte es Proteste, die Briefe wurden wieder aus dem Verkehr gezogen. „Das hat es noch nie gegeben“, sagt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Bei einer 27jährigen Frau hat sich die GeSoBau inzwischen entschuldigt.

Der Computer hatte das falsche Formular erwischt. Nicht „Wir müssen die Harmonie sichern“ sollte auf dem Bescheid stehen, sondern: „Wir haben keine Einzimmerwohnung frei.“ Christian Haase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen