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Neue Feilscherei statt Fortschritte

Die Verminderung des Kohlendioxid-Ausstoßes kommt nicht voran. Bei der Bonner Vorbereitungskonferenz zum Klimagipfel erweisen sich Emissionshandel und Joint-implementation nur als weitere Schlupflöcher  ■ Von Niels Boeing

Berlin (taz) – Die Klimaunterhändler aus aller Welt sind nicht von gestern: Piercing war in den vergangenen zehn Tagen schwer angesagt auf der Bonner Vorbereitungskonferenz für den diesjährigen Klimagipfel in Buenos Aires. Tag für Tag stachen die Delegierten neue Schlupflöcher in das Kioto-Protokoll und weiteten bestehende aus. Wenn die Konferenz heute endet, wird es bei den brennenden Themen des Handels mit Treibhausgas-Emissionen sowie den sogenannten Kohlendioxid- Senken keine Fortschritte geben.

Und während sich die Delegationen in Bonn mit Papieren bekämpfen, streiten die EU-Mitglieder hinter verschlossenen Türen, wie sie das EU-Reduktionsziel untereinander verteilen. Der jüngste Vorschlag des britischen Umweltministers Michael Meacher weicht dabei deutlich von den 1997 vereinbarten Quoten ab und entlastet Großbritannien. Kurz nach Toni Blairs Antritt hatte es geheißen, man wolle 20 Prozent Reduktion in die EU einbringen, jetzt ist nur noch von zwölf Prozent die Rede.

Das wirtschaftlich schwächere Portugal, dem eigentlich eine 40prozentige Steigerung seiner CO2-Emissionen bis 2012 – bezogen auf das Jahr 1990 – zugestanden worden war, soll jetzt nur noch um 24 Prozent zulegen dürfen. Gegen diesen Plan wehren sich vor allem Dänemark und Österreich vehement. Sie fordern, daß endlich EU-einheitliche Klimaschutzmaßnahmen durchgesetzt werden, damit die EU-Mitgliedsstaaten nicht länger ihre Reduktionsverpflichtungen gegeneinander ausspielen können.

Dieses Gezerre hat der EU in den Bonner Verhandlungen nicht gerade den Rücken gestärkt. Ungeklärt ist bislang, wie der Handel mit Treibhausgas-Emissionen und Joint-implementation funktionieren soll. Beim Emissionshandel sollen Zertifikate, die zu einem gewissen Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan berechtigen, international frei handelbar sein. Im Falle von Joint- implementation können sich Länder CO2-Reduktionen, die ihre Firmen in anderen Ländern bewirken, auf ihre eigenen Klimaverpflichtungen anrechnen lassen.

Die EU und einige Staaten Osteuropas haben nun in einem Konferenzpapier gefordert, daß ein bestimmter Prozentsatz der Reduktionsziele – der „Cap“ – im eigenen Land geleistet werden müsse, allerdings ohne ein konkretes Ziel zu nennen. „Der Grund ist, daß die EU-Staaten sich selbst nicht auf eine Zahl einigen können“, sagt Lars Jeorg Jensen vom WWF International. Die USA lehnen einen Cap als Handelsbeschränkung vehement ab und drohen, das Kioto- Protokoll nicht zu ratifizieren. Und weder die EU-geführte Ländergruppe noch die USA haben erklärt, ob Staaten oder Unternehmen die Zertifikate handeln sollen und welche Institution den Markt für „heiße Luft“ beaufsichtigen soll.

Welche Kreativität Joint-implementation für CO2-Minderungen freisetzen kann, zeigt ein Vorschlag Japans. Das will sich die Vernichtung von FCKW, die es immer noch in Entwicklungsländer verkauft, als Klimaschutz im Sinne des Kioto-Protokolls anrechnen lassen. Ungeachtet der Tatsache, daß das Protokoll von Montreal die Produktion von FCKW längst verbietet.

Ein ähnliches Trauerspiel bietet das Gefeilsche um die „CO2-Senken“. Das sind Wälder und Vegetation sowie die Algen der Weltmeere, die große Mengen Kohlendioxid schlucken können. Wenn ein Staat also große Flächen aufforstet und landwirtschaftliche Flächen renaturiert, muß er seinen CO2-Ausstoß nicht ganz so drastisch verringern. Doch die Details sind bisher unklar. Folge: So möchte die US-Holzlobby sicherstellen, daß ein abgeholzter Wald, der wiederaufgeforstet wird, als zusätzliche Senke gilt. Nach dieser bizarren Logik könnten die USA im Prinzip ihre Klimaschutzverpflichtungen einlösen, indem sie ihren eigenen Kahlschlag wieder bepflanzen. Die Umweltverbände fordern angesichts dessen einen Zusatzbericht des IPCC, der UN- Klimaexpertenkommission, über CO2-Senken. Es wäre allerdings besser gewesen, sich von Anfang an auf die Emissionen und nicht auf die Senken zu konzentrieren, sagt Sascha Müller-Kraenner vom Deutschen Naturschutz-Ring. „Bei den Senken ist dem Beschiß Tür und Tor geöffnet.“

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