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Mit dem Drang der geburtenstarken 60er Jahrgänge ins eigene Haus im Umland der Städte droht eine neue Welle der Zersiedelung. Verhindern läßt sich dies nur, wenn die Kommunen neue Konzepte zur Stadtentwicklung und Verkehrsvermeidung anpacken Von Niels Boeing

Der Alptraum im Grünen

Rasen mähen, den im Garten tobenden Kinder zuschauen, mit den Nachbarn grillen – der deutsche Traum vom Wohnen im Grünen ist ungebrochen. Die Hälfte aller Deutschen zwischen 25 und 35 – und das sind insgesamt 14 Millionen (17,3 Prozent der Bundesbürger) – wollen ihn sich nach einer Emnid-Umfrage schon bald erfüllen. Denn sie haben inzwischen Familie, machen Karriere und werden demnächst über einen ordentlichen Teil der zwei Billionen Mark verfügen, die in den kommenden fünf Jahren vererbt werden. Das aber bedeutet: Deutschland wird richtig zugebaut. Die Bundestags- Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ hat dies jetzt als eines der zentralen Umweltprobleme in Deutschland bezeichnet (siehe Seite 8).

Nach Schätzungen des Eduard- Pestel-Instituts werden bis zum Jahr 2010 rund 2,8 Millionen zusätzliche Wohnungen benötigt. Vier Fünftel dieser Wohnungen werden Ein- oder Zweifamilienhäuser sein. Die Stadtforscher aus Hannover gehen bei dieser Prognose davon aus, daß jeder Haushalt – auch Singles – eine eigene Wohnung haben möchte. Untermietverhältnisse kommen aus der Mode. Und die Mobilität der Bevölkerung wird noch zunehmen. Der Flächenbedarf wird deshalb den der vergangenen 13 Jahre deutlich übertreffen. In diesem Zeitraum wurde vor allem der Geschoßwohnungsbau in Mehrfamilienhäusern öffentlich gefördert.

Die Folgen liegen für Ulrich Pfeiffer vom Stadtforschungsinstitut Empirica in Bonn auf der Hand. „Wenn die Städte ihr Bauland weiter so rationieren wie bisher, hauen die Leute in die Pampa ab“, wettert er. Die dichter werdende Besiedlung etwa zwischen Hamburg und dem rund 60 Kilometer entfernten Lüneburg ist für Pfeiffer ein Beispiel der neuen „Siedlungssteppen“. Ehemals winzige Dörfer sind umringt von Neubaugebieten. Schnellstraßen sorgen für die Stadtanbindung. Die ursprüngliche Landschaft verschwindet. Für Pfeiffer steht fest: Die Stadtplanung der meisten Kommunen kann das Problem der Zersiedelung nicht lösen – sie ist vielmehr selbst das Problem.

In ihren Flächennutzungsplänen legen sie fest, wie städtisches Land bebaut werden soll. Doch sind erst einmal Flächen für den Wohnungsbau ausgewiesen, schießen die innerstädtischen Grundstückspreise in die Höhe. Folge: Durchschnittlich verdienende Familien ziehen zum Hausbau aufs Land. Heidelberg beispielsweise plane und rationiere seine Grundstücke, so Pfeiffer, mit dem Ergebnis, daß seit Jahren Eigenheime ins Umland exportiert und Berufspendler produziert würden. Auf der anderen Seite trieben gerade Städte wie Hamburg, deren Kassen leer sind, die Preise in die Höhe, um am Verkauf von stadteigenem Bauland ein paar Mark zu verdienen.

Wie man es besser machen kann, zeigt das Beispiel Ulm. Hier kauft die Stadt selbst Grundstücke und bietet dieses stadteigene Bauland dann zu erschwinglichen Preisen für den Wohnungsbau an. So werde eine Abwanderung wie in Heidelberg verhindert, sagt Pfeiffer. Eine Raumsteuerung allein dem Markt zu überlassen, davon hält Pfeiffer allerdings nichts. Weder sei so eine optimale Stückelung von Grundstücken erreichbar, noch müßten die Kosten der Bodennutzung von den Nutzern getragen werden. Ohne eine steuerliche Lenkung gehe es nicht.

„Die Mineralölsteuer im Rahmen einer ökologischen Steuerreform ist das beste Instrument, das wir im Moment haben“, ist Dieter Apel vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin sicher. Denn solange (Auto-)Mobilität nichts kostet, bleibt ein Umzug ins Umland für viele attraktiv. Und erst wenn die ökologischen Kosten des Autoverkehrs bezahlt würden, könne man die Subventionen für den öffentlichen Nahverkehr abbauen.

Außerdem plädiert das Difu seit längerem für eine kombinierte Besteuerung von Bodenfläche und Bodenwert. Diese sei ökonomisch und ökologisch sinnvoller als die bisher geltende Grundsteuer – in ihrer jetzigen Form vom Bundesverfassungsgericht ohnehin als verfassungswidrig beurteilt. Da Gebäude selbst nicht besteuert werden, lohnt sich flächensparendes Bauen. Der Steuersatz hängt von der Beanspruchung des Bodens ab: Ein Schrotthändler etwa zahlt mehr als der Eigentümer eines Wohnhauses.

So können die externen ökologischen Kosten berücksichtigt werden. Und Bodenspekulation, die wertvolles Bauland um des Profits willen brachliegen läßt, rechnet sich nicht mehr, wenn mit dem Wert des Baulands die Bodensteuer steigt. Auf diese Weise werden Nachverdichtung in der Innenstadt und eine kompaktere Bebauung am Stadtrand wieder interessant.

Im Großraum Hannover wird ein drittes Konzept diskutiert, mit dem das Baulandproblem gemanagt werden soll: eine Verwaltungs- und Gebietsreform. Hierfür macht sich besonders der deutsche Städtetag stark. Aus den Umlandverbänden, die bisher in einigen Ballungsgebieten bestehen, sollen Regionen werden und die bisher existierenden Kreise ersetzen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, daß Großstädte und Umlandgemeinden das Verkehrs- und Siedlungsproblem nur noch gemeinsam lösen können. Die einen wollen ihre Steuerzahler nicht verlieren, die anderen nicht in der Siedlungssteppe verschwinden.

In den neuen Bundesländer müßte allerdings erst einmal die Gebietsreform nachgeholt werden, die im Westen in den Siebzigern durchgezogen wurde. „Viele der 6.500 Gemeinden sind einfach zu klein. Da funktioniert die Kooperation nicht, zum Beispiel um ein Nahverkehrsnetz von der Bahn zu übernehmen“, sagt Folkert Kiepe vom Deutschen Städtetag.

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