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In der kompakten Stadt sind Autos überflüssig

■ Stadtentwicklungskonzepte in Amsterdam und Bern zeigen, daß die Zersiedelung des Umlands und das Wachstum des Autoverkehrs gestoppt und tote Innenstädte verhindert werden können

Amsterdam ist nicht nur eine tolle Stadt mit malerischen Grachten und gute Laune versprechenden Coffee-Shops. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) hat Amsterdam als erste Stadt überhaupt ein Planungssystem auf den Weg gebracht, in dem Verkehr, Umwelt und Raumplanung aufeinander abgestimmt sind. Grundlage ist das Leitbild der „Kompakten Stadt“ von 1982. Um zu verhindern, daß Amsterdam wie so viele Metropolen ins Umland ausfranst, setzte man auf Verdichtung und Umstrukturierung des bestehenden Stadtgebiets.

Alte Lagerhäuser oder Brachflächen wurden gezielt für neue Wohnungen genutzt. So mutierte das Stadtzentrum abends und nachts zur menschenleeren Büro- und Einkaufszone. In der Amsterdamer Innenstadt halten sich Beschäftigte und Einwohner die Waage, im Unterschied zu vielen europäischen Großstadtzentren, wo im Schnitt fünfmal mehr Menschen arbeiten als wohnen. Folge: Amsterdam hat im Vergleich zu deutschen Großstädten deutlich weniger Autobesitzer und Berufspendler, die am Morgen eines jeden Wochentages in die Stadt strömen.

Gleichzeitig verabschiedete sich Amsterdam von der Idee der autofreundlichen Stadt. Statt dessen wurden die schienengebundenen Metrolinien, die sternförmig aus dem Zentrum herausführen, durch eine Ringbahn miteinander verknüpft. An den neu entstandenen Knoten wurden dann Arbeitsstätten und öffentliche Einrichtungen wie etwa das World Trade Centrum oder die „Vrije Universiteit“ angesiedelt. Auf diese Weise entstanden neue Nebenzentren, die auch ohne Auto zugänglich sind.

Im Zusammenhang damit entwickelte das Stadtplanungsamt die sogenannte ABC-Standortplanung: Für 58 Stadtgebiete wurde festgelegt, wie viele Parkplätze dort ein neuer Betrieb maximal haben darf. An sogenannten A- Standorten ist nur ein Stellplatz für zehn Beschäftigte erlaubt, bei B-Gebieten einer für fünf. Außerdem investierte die Amsterdamer Stadtverwaltung jährlich mehr als zehn Millionen Gulden in ein Netz von Fahrradwegen und -garagen.

Die Stadt an der Amstel ist eines von mehreren Beispielen für eine verkehrsvermeidende und flächenschonende Stadtplanung, die das Difu in der kürzlich vorgestellten Studie „Kompakt, mobil, urban“ untersucht hat.

Eine ähnliche Erfolgsgeschichte kann Bern vorweisen. Auch hier lehnte man sich bei der Stadtentwicklung an das S-Bahnnetz an. Mit durchschlagendem Erfolg: „Reine Autostandorte kommen für Firmen hier nicht mehr in Frage“, sagt Dieter Apel, einer der Autoren der Studie. Selbst große Verbrauchermärkte, die bei uns mit Vorliebe an Autobahnkreuzen entstehen, siedelten sich dort an S-Bahnhöfen an. Die Investoren, so Apel, hätten begriffen, daß der öffentliche Nahverkehr für die Berner eine große Bedeutung hat.

Noch 1975 hatte Bern eine ähnlich hohe Autonutzung wie vergleichbare westdeutsche Städte. Doch während diese bei der Motorisierung stark zulegten, sattelte Bern um und verzeichnet seit 1990 keine Zunahme des Autoverkehrs mehr.

Unter den deutschen Großstädten sieht die Difu-Studie Halle als „Prototyp der kompakten europäischen Stadt“. Zwar fahren auch die Hallenser inzwischen begeistert Auto. Doch die überkommene Stadtstruktur mit engen Straßen im Zentrum und nur einem zentralen Übergang über die Saale verhindert, daß die Hallenser mit ihren Wagen in der Innenstadt viel erreichen können.

Mit durchschnittlich neun Kilometern am Tag legen sie eine deutlich kürzere Strecke im Auto zurück als in vergleichbaren Großstädten (etwa 13 Kilometer). Für die Difu-Forscher ist klar: Verkehrswende und Entwicklung zur kompakten Stadt bedingen sich gegenseitig – ohne sie wird es keine nachhaltige Stadt der Zukunft geben.

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