Zwischen den Rillen
: Spaß auf Gras

■ Die neue Beastie Boys: Kleinklein im Mittelfeld, trotzdem cool ohne Ende

Gutenmorgenallerseits, liebe Fußballfreunde! Machen Sie es sich bequem, lernen Sie mit der Angst vor dem Endspiel umzugehen! Langsam dürfen wir uns schon mal schlecht fühlen in Erwartung des schwarzen Lochs nach dem WM-Finale, wenn der Ball nicht mehr rollen darf. Aber igendwann ist die Party eben zu Ende. Goodbye WM – „Hello Nasty“.

Zum ersten: Daß die neue CD der Beastie Boys mitten während der Spiele erscheinen mußte, finden wir verbraucherfeindlich. Zum zweiten: Daß „Hello Nasty“ recht vorbildlich auslotet, wie spielerisch verheiratete Männer auf Basis einer verlängerten und materiell abgesicherten Postadoleszenz ihren Reifeprozeß zu bewältigen vermögen, das rechnen wir ihnen hoch an – gerade in diesen schweren Stunden, in denen so viele Fußballgötter Probleme mit dem Alter haben. Mike D. (33), Adam „MCA“ Yauch (33) und Adam „Adrock“ Horovitz (32) besitzen höchstwahrscheinlich uneingeschränkt das Glück, nicht zu wissen, was sie tun, und nicht wirklich wissen zu wollen, wer sie sind. Das verschafft ihnen Popkultur-Credibility ohne Ende.

Die Beasties, bessere jüdische Bürgersöhne New Yorks, hätten als sentimentale Demagogen, als häßliche Woody-Allen-Miniaturen enden können, sie zogen es vor, einen einzigen fundamentalen Paaaaaaarty- Schrei in die Umlaufbahn zu schicken, dessen Nachhall ihnen Langzeittantiemen beschert, aber auch einen außerordentlichen Status als einzige weiße Band der Popgeschichte, die von sich straffrei behaupten darf, street-smart zu sein. Die Fortschreibung ihrer Partyansage von 1986 gerät 1998 im Album-Eröffnungsstück „Super Disco Breakin'“ vergleichsweise staatstragend: „Can't rock the house without party people. Cause when we are gettin' down, we are all equal.“ Mit anderen Worten: Vor den Beasties sind wir alle gleich. The Schulterschluß goes on.

Die Räume im eigenen Haus haben die Beastie Boys diesmal richtig eng gemacht. Zwischen den Beats, Breaks und Old- School-Loops stehen Unmengen von Scratches und Samples, Doors-reife Orgeleien, Gimmicks aus der Echokammer, Electro-Boogie-Kindereien und ein paar schwerwiegende Operationen an der Aufnahmegeschwindigkeit menschlichen Gesangs. Im „Song For The Man“ imitieren die Beasties die allseits beliebten Bands Stoned Roses und Rolling Stoned auf einem historischen Ausflug in den Psychedelic Rock, Höhe „2000 Light Years From Home“ – Spaß auf Gras klingt eben mehr nach innen. Der Rest ist schickes Gefrickel, unanfechtbares Gegröle, Samba, Fake- Funk und was den Thirtysomethings innerhalb von drei Jahren zwischen XLarge- und Grand- Royal-Label noch so alles in den Sinn kommen konnte.

Zu viele Parameter, zuviel Technik, zu viele Tracks, die der bandeigenen Sandwich-Taktik des fröhlichen Aufeinanderschichtens von Soundpartikeln zum Opfer fielen – wie die Beasties beim europäischen Interviewmarathon in Lissabon unbekümmert selbstkritisch resümierten. Hätten sie nicht mit dem Finger auf die Wunde gezeigt, kaum jemand hätte gewagt, die Leistung der „sogenannten Kreativabteilung“ (Vogts) in Frage zu stellen. Was tun, wenn vor lauter Kleinklein zuwenig zusammenhängende Aktion gedeihen mag? Zum Beispiel Topspieler verpflichten: Mit Lee Scratch Perry, Brooke Wiliams, Biho Hatari (Cibo Matto), Biz Markie, Jill Cunniff von Luscious Jackson (alle Gesang) und dem universell einsetzbaren Edeljoker Money Mark haben die Beastie Boys in dieser Beziehung ihr Bestes getan. Sie haben auch einen besenreinen Popsong dabei (“I Don't Know“), den sie nicht grölen, sondern der Ordnung halber singen. Daß jetzt viele Leute sich sehr darüber freuen, dies entdecken zu dürfen, besitzt ungefähr die perfide Arroganz von HipHop-Rezensionen, die zwischen den Zeilen die Frage nach der künstlerischen Weiterbildung stellen: Hunde, wollt ihr ewig rappen?

Die Beastie Boys fight das alles nicht an, sie müssen nichts mehr beweisen. Und erst recht nicht singen können. Als Entertainmentimperialisten mit Zweigstellen von L.A. bis Tokio besitzen sie den esprit de corps, den sich andere, größere Unternehmen mit millionenschweren Sponsoring-Engagements zu schaffen suchen. Früher gaben sie die delirierende Pump- Room-Gang mit Riesenpenis und Budweiser im Anschlag – Middle Class, aber „Licensed To Ill“. Heute treiben sie Heckmeck und wild wuchernden Wortsport, den so immer noch kein weißer B-Boy drauf hat: Auf „frozen“ reimen sie „Lederhosen“, und für die Nabelschau geben sie mal eben eine handgeschriebene Visitenkarte ab: „Have you seen what I mean, I'm the little gnome that's in your dreams.“

„Hello Nasty“ ist mit all seinen Taschenspielertricks und Miniaturjokes eine überraschend altmodische Platte geworden, der man anmerkt, daß ihre Urheber lange Zeit abgeschottet von der Außenwelt im Studio gearbeitet haben. Nachrichten aus dem Binnensystem, Code-Variationen, berufsjugendliche Stilverfeinerungen – knappe 70 Minuten Spielzeit. Jetzt sollte Brasilien schnell Weltmeister werden. Frank Sawatzki

Beastie Boys: „Hello Nasty“ (Capitol/EMI)