: Nigeria wartet auf die Obduktion
■ Die Unruhen nach Tod von Oppositionsführer Abiola gehen weiter. Ein internationales Ärzteteam soll nun die Leiche untersuchen. Oppositionelle glauben nicht an Herzversagen
Berlin (taz) – Die Gewalt in Nigerias Metropole Lagos reißt nicht ab. Gestern brachen nach kurzer Pause erneut Unruhen aus, als sich Anhänger des am Dienstag verstorbenen Oppositionsführers Moshood Abiola wieder mit der Polizei konfrontierten.
Eine Entspannung ist vor heute nicht zu erwarten. Gestern abend sollte ein internationales Medizinerteam in Nigeria eintreffen, um Abiolas Leiche zu obduzieren. Wann sie ihren Bericht vorlegen, ist bisher nicht bekannt.
Die Gewalt der letzten beiden Tage forderte offenbar weitaus mehr Opfer als bisher bekannt. Die Tageszeitung Vanguard in Lagos sprach von 45 Toten, davon 15 in Lagos. Ihrem Bericht zufolge waren die Unruhen in Abiolas Heimatstadt Abeokuta nördlich von Lagos besonders schwer. Militante Jugendliche hätten Häuser von stadtbekannten Gegnern Abiolas angezündet. Der Palast zweier traditioneller Könige in der Stadt seien von den Jugendlichen „dem Erdboden gleichgemacht“ worden; das Haus des Vaters von einer als regimetreu eingeschätzten Ehefrau Abiolas sei in Brand gesteckt worden. Über Abeokuta wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Der führende Menschenrechtsanwalt Femi Falana erklärte, es habe „eine internationale Verschwörung“ gegen Abiola gegeben. „Wir weisen die Behauptung, Abiola sei an einem Herzanfall gestorben, zurück“, sagte er. „Wir fordern auch die seltsamen Augenzeugen seines Todes heraus. Wir nehmen ihre Erklärungen nicht an. Wir verlangen die Festnahme der Amerikaner, die bei ihm waren, als er starb, und mit ihm Tee tranken.“ Falana forderte zudem die Freilassung aller verbleibenden politischen Gefangenen, „bevor sie auch sterben“ und sagte: „Indem sie Abiola getötet haben, haben sie Nigeria umgebracht.“
Staatschef Abdulsalam Abubakar äußerte in einer Rede am Mittwoch abend seine Trauer über Abiolas Tod, den er als „nationale Tragödie“ bezeichnete, und versprach „eine würdige Beerdigung in einer feierlichen und friedlichen Atmosphäre“. Über seine politischen Pläne machte er jedoch keine Angaben. Am Nachmittag hatte er alle Kabinettsminister entlassen, ohne Nachfolger zu ernennen. D.J.
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