■ Vorschlag: Afrozentrismus und Avantgarde: Chico César im Tränenpalast
Ein Ereignis, das den Anstoß gibt, dem Leben bewußt eine andere Wendung zu geben, wird im biographischen Rückblick gerne mythisch überhöht. Ein solches Erweckungserlebnis hatte Chico César, als er vor sieben Jahren auf einer Europareise im Auto eines Bekannten erstmals eine Kassette mit Songs des afrikanischen Sängers Salif Keita hörte: eine musikalische Epiphanie, eine akustische Gottesbegegnung.
Danach war alles anders: Chico César schmiß seinen Job als Redakteur bei der brasilianischen Elle hin, um sich fortan ganz der Musik zu widmen. Alleine daher rührt Chico Césars Affinität zu Afrika allerdings nicht. Denn Chico César ist ein bekennender Nordestino, er stammt aus dem brasilianischen Bundesstaat Paraiba im trockenen, staubigen Nordosten Brasiliens, wo manche einst afrikanischen Traditionen, etwa im Maracatu, noch höchst lebendig sind. Diesen Faden greift Chico César auf, verknüpft ihn aber mit Reggae, Pop und Folk zu einer recht modernen Mischung. Seiner stilistischen Bandbreite merkt man die Jahre an, die er im Plattenladen seiner Heimatstadt in der brasilianischen Provinz arbeitete.
Chico Césars Spezialität sind intelligente Melodien zum Mitpfeifen, und mit seiner Ode an „Mama Africa“ landete er vor einiger Zeit einen veritablen Gassenhauer in ganz Brasilien. Ähnlich kreativ und synkretistisch wie in seiner Musik ist Chico César, die brasilianische Antwort auf Prince, auch in der Wahl seines Outfits, tritt er doch üblicherweise im Cäsarenkostüm als Fantasiekönig auf, samt Zepter und Krone. Doch seine Frisur ist weniger Punk als ein Tribut an den afrobrasilianischen Gott Oxala – so gehen brasilianischer Afrozentrismus und Avantgarde Hand in Hand. Daniel Bax
Ab 22 Uhr im Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen