■ Der DFB kürt Ribbeck und Stielike zu Vogts' Nachfolgern: Erwartungsgemäß verschenkt
Die Idee „Zwei statt Berti“ wird von einem Hauch von Verzweiflung umweht. Der emeritierte Erich Ribbeck, genannt „Sir“, vor zwei Jahren unter höflicher, aber deutlicher Diagnostizierung schwindender Sachkenntnis in den Ruhestand verabschiedet, wird zum „Teamchef“. Uli Stielike, seit einem halben Jahr Jugendtrainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und davor zuletzt bei deutschen und spanischen Zweitligisten mäßig erfolgreich, wird sein Trainer. Der eine kommt aus einer Zeit, in der man Einstecktücher für ein Zeichen von Noblesse hielt, der andere mit dem diplomatischen Geschick einer Häckselmaschine daher. Sir und Junker sozusagen, als würde man Kohl durch von Weizsäcker und Kanther ersetzen.
Diese bizarre Nachfolgeregelung für Berti Vogts löst keines der Probleme der Nationalmannschaft. Nicht ein Hauch von Versprechen auf den Anschluß an die Fußballmoderne liegt in der Wahl. Damit ist sie ein erneutes Debakel für die Führung des DFB. Der größte Sportverband der Welt und sein Vorsitzender Egidius Braun sind schon seit längerer Zeit in der Defensive. In durchaus richtiger Absicht versucht sich der DFB gegenüber der galoppierenden Kommerzialisierung des Spiels, dem Druck der großen Vereine und Medienkonzerne als Bremser. Allerdings agieren die Wertkonservativen des Verbandes um Braun dabei immer konfuser. Das war schon beim Bosman-Urteil so, zeigte sich anläßlich der Pläne für eine Europaliga und nun wieder bei der imageträchtigen Neubesetzung der Stelle eines Bundestrainers.
Der Muff aus all den Jahren ist auch unter den neuen Trainingsanzügen. Die Gelegenheit, das neue Konzept für einen anderen deutschen Fußball zu entwerfen, wurde erwartungsgemäß verschenkt.
Wahrscheinlich hätten daran auch einige Tage des Nachdenkens nichts geändert. Etwa, um das unbedingte Beharren auf einen deutschen Trainer zu korrigieren. Oder um die allzu große Rücksichtnahme, Christoph Daum oder Ottmar Hitzfeld ihren Klubs nicht abwerben zu wollen, vielleicht doch zu relativieren.
Statt dessen gebar Braun in eifrigem Aktionismus gar die Idee, den unerträglichen Klugscheißer-Kommentator Paul Breitner als Teamchef in Betracht zu ziehen und dies auch noch für „revolutionär“ zu halten. Dagegen machen sich sogar Ribbeck und Stielike wie ein Traumpaar aus. Christoph Biermann
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