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Als Flickenteppich ist ein Land unansehnlich

■ Somalia ist in eine Vielzahl rivalisierender Staaten zerfallen, die niemand anerkennt

Bardera (taz) – Seit dem Ende der internationalen Militärinterventionen von 1992 bis 1995 in Somalia hält der Westen sich völlig heraus aus den Initiativen, eine tragfähige Ordnung für das Land zu finden. „Die friedlicheren Regionen unterstützen und abwarten, bis im Süden der Krieg sich nicht mehr rentiert oder der Friedenswillen der Bevölkerung die Oberhand gewinnt“, beschreibt ein Diplomat diese Haltung.

Dafür haben andere die Vermittlerrolle übernommen: Die Organisation für afrikanische Einheit (OAU), die eine Teilung Somalias eigentlich ablehnt, hat Äthiopien diese Aufgabe übertragen – und damit den Bock zum Gärtner gemacht. Denn das westliche Nachbarland verfolgt in Somalia eigene, intrigante Ziele: Es spielt die verschiedenen Warlords und Regionen gegeneinander aus, hat Milizen an seiner Grenze bewaffnet und ausgebildet und tut dies teilweise noch. Das bestätigt den Verdacht, Äthiopien habe ein Interesse daran, kein geeintes und unter Umständen bedrohliches Somalia mehr entstehen zu lassen – in den 70er Jahren versuchte Somalia, Teile Äthiopiens zu erobern.

Die Arabische Liga dagegen – Somalia ist assoziiertes Mitglied, und 95 Prozent der Einwohner sind Muslime – will die Einheit Somalias auch auf jeden Fall erhalten und hat damit Ägypten beauftragt. Ägypten versammelte zum Jahresende 1997 die Mehrzahl der somalischen Warlords in Kairo. Heraus kam dabei nichts außer der Versöhnung der zwei einstigen Erzrivalen in Mogadischu, Hussein Aidid und Ali Mahdi.

Auch Ägypten verfolgt keine uneigennützigen Ziele: Es rivalisiert mit Äthiopien um die Hegemonie am Horn von Afrika und um das Nilwasser. Äthiopien plant am Blauen Nil einige großangelegte Wasserkraftwerke, die Ägyptens Wasserversorgung beeinträchtigen könnten.

Der Zerfall Somalias ist inzwischen stark fortgeschritten. Es sind eigene, von niemandem anerkannte „Staaten“ entstanden: Der Nordwesten, der anders als der Rest Somalias bis 1960 britische Kolonie war, erklärte sich schon 1991 als „Republik Somaliland“ unabhängig. Der Nordosten ist faktisch autonom und nennt sich „Puntland“. Beide „Staaten“ streiten sich um eine Region an ihre Grenze, und in der regierenden Bewegung in Puntland, der SSDF, gibt es zwei sich bekriegende Fraktionen. Dennoch ist die durch regierungsunabhängige Organisationen geschleuste Hilfe für diese beiden „Staaten“ ungleich größer als jene für den noch stärker zersplitterten Süden.

Äthiopien und Ägypten streiten um die Macht

In der südsomalischen Hafenstadt Kismayo und entlang des Flußlaufes des Juba ist ein „Jubaland“ entstanden. Die dafür verantwortliche Miliz SPM kontrolliert allerdings nur Kismayu, und gegen den „Staatschef“ von Jubaland, General Morgan – Schwiegersohn des 1991 gestürzten somalischen Diktators Siad Barre –, hätte eine Anklage vor einem internationalen Tribunal wegen Kriegsverbrechen gute Chancen. Morgan führte in den letzten Jahren des geeinten Somalia, im Krieg der Regierung Barre gegen Rebellen im Norden, 1988 bis 1990 einen Bombenkrieg, dem 50.000 Zivilisten zum Opfer gefallen sein sollen. In der Region Gedo um Bardera herrscht Barres Marehan-Clan und das Überbleibsel seiner Miliz SNF.

Die SNF streitet sich mit Morgan, der Unterstützung seines Majerteen-Clans aus Puntland bekommt, auch um die Kontrolle der Hafenstadt Kismayu und ist mit Aidid verbündet, der die zwei großen Städte der Regionen Bay und Bakol kontrolliert – Baidoa und Burhakaba.

Der Rest dieser beiden Regionen wird von dem Rahanwein- Clan mit der „Rahanwein Resistance Army“ (RRA) beherrscht, der allerdings auch intern zerstritten ist. Peter Böhm

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