: Die Quadratur des Kreises
Ohne ein Mandat für internationale Truppen wird die Kosovo-Konferenz zu keinem Friedensabkommen führen. Wie das Mandat genau aussehen soll, wissen die an den Verhandlungen Beteiligten noch nicht ■ Aus Rambouillet Erich Rathfelder
Erst wenn Belgrad grünes Licht für die Implementierung von Friedenstruppen gibt, wird es zu einer Friedensregelung im Kosovo kommen können. Darin sind sich alle Beobachter einig. Und auch darin, daß es im Augenblick nicht danach aussieht. Die Drohung der Nato, mit Luftschlägen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević dazu zu zwingen, bleibt aber bestehen. Sie wurde erst am Mittwoch in Washington bekräftigt.
Bei den Verhandlungen in Rambouillet geht es aber vordergründig um etwas anderes. „Wir sind hier, um die politischen Aspekte eines Friedensabkommens zu verhandeln“, erklärte der EU-Unterhändler Wolfgang Petritsch. Der österreichische Diplomat gab damit zu verstehen, daß die militärische Seite in Rambouillet zunächst ausgeklammert bleiben sollte. Und das aus gutem Grund: Denn wie das Mandat dieser Friedenstruppen aussehen sollte, das wissen die an den Verhandlungen beteiligten Mächte selbst noch nicht so genau. Die Differenzen zwischen den USA und den Europäern, den europäischen Mächten untereinander und mit Rußland sind noch nicht ausgeräumt. An der Frage, ob diese Truppen unter Nato-Kommando stehen sollen, kristallisieren sich unterschiedliche Lager heraus: Frankreich und Rußland wollen ein schwächeres Mandat, Großbritannien und die USA plädieren für klar umrissene Befugnisse der Nato.
Kann aber in Rambouillet die Quadratur des Kreises gefunden werden, wenn die Frage der internationalen Truppen ausgeklammert bleibt? Die kosovoalbanische Verhandlungsführung fordert nach wie vor, daß nach der Übergangszeit von drei Jahren die Tür für die Unabhängigkeit des Landes offen bleibt. Genau dies möchte die serbische Seite aber nicht. Sie ist zwar bereit, den Kosovoalbanern eine weitgehende Selbstverwaltung zuzugestehen. An der Frage der Grenzen und der Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien oder zumindest zur Bundesrepublik Jugoslawien will sie aber nicht rütteln lassen.
Überbrückt werden könnte dieser Gegensatz nur durch ein starkes Mandat der Institutionen der internationalen Gemeinschaft in Kosovo selbst. Und der bisherige Rahmenplan geht in diese Richtung. Die in ihm enthaltenen Bestimmungen unter Einschluß der Annexe regeln nicht nur den künftigen Staatsaufbau Kosovos, sondern auch den Einfluß der internationalen Institutionen, ob sie nun die Menschenrechte (Ombudsman), die Polizei, das Rechtssystem oder die Überwachung von Wahlen betrifft.
Weil in Bosnien die zivilen und militärischen Institutionen (Büro des Hohen Repräsentanten und Sfor-Truppen) nicht immer reibungslos zusammenarbeiteten, möchte man im Kosovo die Struktur der internationalen Administration straffen. Faktisch würde der Kosovo bei einem starken Mandat der internationalen Institutionen zu einem internationalen Protektorat gemacht, das in der Lage ist, in einer Übergangszeit das Abkommen in allen seinen Aspekten durchzusetzen.
Gerade das fürchtet die serbische Führung. Mit einem solchen Mandat könnte das von internationaler Seite gegebenen Versprechen, das Kosovo würde auch nach diesen drei Jahren im jugoslawischen Staatsverband verbleiben, gebrochen werden. Viele KosovoAlbaner sind gerade deshalb an einem starken Mandat interessiert. Denn allein dieses würde den Einfluß der serbischen Institutionen im Kosovo zurückdrängen. Und vielleicht doch noch die Option für eine künftige Unabhängigkeit der Provinz eröffnen.
Die Albaner selbst sind an dieser Frage trotz aller zur Schau gestellten Einigkeit tief gespalten. Für sie geht es jetzt um „die Schicksalsfrage“, wie es ein Sprecher der UCK ausdrückt. Sind die moderaten Anhänger des bisherigen kosovoalbanischen Präsidenten Ibrahim Rugova bereit, alles dafür zu tun, internationale Truppen in das Land zu bringen, muß die UCK Bedingungen stellen. Sie fordert Garantien der Nato und deren Beteiligung an den Verhandlungen. Während die Rugova-Leute hoffen, daß das Protektorat angesichts der damit etablierten demokratischen Strukturen quasi automatisch irgendwann zur Unabhängigkeit führt, haben die UCK-Anhänger diese Hoffnung nicht. Sie wollen ihr Schicksal nicht vollständig von der internationalen Gemeinschaft abhängig machen. Schließlich wisse man ja nicht, wer da in drei Jahren das Sagen habe, heißt es. Zudem wollen sie die Entwaffnung der UCK verhindern. So versuchen alle Seiten „ihre Freunde“ in den internationalen Institutionen für ihre Ziele zu mobilisieren. Die serbisch- jugoslawische Seite hofft, daß Rußland und Frankreich in ihrem Sinne Einfluß auf die Ausgestaltung des Mandats der internationalen Truppen nehmen. Die moderaten Albaner setzen auf die Versprechungen von Amerikanern, Briten und anderen Europäern. Und die UCK läuft Gefahr, zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Trotzdem bleibt: ohne internationale Truppen gibt es kein Abkommen.
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