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Achtlos in die Ecke gedrängt

Von den Ideen der Grünen ist beim neuen Staatsbürgerschaftsrecht so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Innenminister Schily (SPD) hat der FDP nachgeben  ■ Aus Bonn Thorsten Denkler

Die Bundesregierung steht vor einem Scherbenhaufen. Der gestrige Kompromiß, den Innenminister Otto Schily (SPD) gestern mit der rheinland-pfälzischen FDP gefunden hat, ist seinem ersten Entwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes in keinem Punkt mehr ähnlich. Eine generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft als Mittel zur Einbürgerungserleichterung hier lebender Ausländer wird es nicht geben. Nicht einmal Ausnahmen von der Regel für ältere Ausländer sind mit der FDP zu machen. Die Freidemokraten regieren in Mainz zusammen mit der SPD. Nach der verlorenen Hessenwahl ist ihre Zustimmung im Bundesrat notwendig – damit konnte die FDP in den Verhandlungen hoch pokern, sie hatte ja nichts zu verlieren.

Schily lenkte auf der vollen Linie ein. Ergebnis: Das Optionsmodell der FDP wird übernommen. Ausländische Kinder, die seit ihrer Geburt zwei Pässe haben, müssen sich mit spätestens 23 Jahren für einen Paß entscheiden.

Einzig bei Fristverkürzungen will die FDP noch einlenken. Möglicherweise soll es auch Einzel- und Härtefallprüfungen geben. Zum Beispiel wenn jemand seine alte Staatsbürgerschaft behalten will und dafür schwerwiegende Gründe vortragen kann, etwa wenn sein Herkunftsland ihn nicht aus dieser Staatsangehörigkeit entlassen will.

Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, ist nicht glücklich mit dem Optionsmodell. Aber er müsse sich nach den Realitäten richten, die im Bundesrat gegen die Regierung sprächen.

Im Grunde ist mit diesem Kompromiß jede Schmerzgrenze der Grünen überschritten worden. Das erklärte Ziel, möglichst vielen Ausländern die schnelle Einbürgerung zu ermöglichen, ist nicht erreicht worden. Mit dem ersten Schily-Entwurf hätten sich noch über vier Millionen Menschen auf den Doppelpaß freuen können. Wie viele es jetzt noch sein werden, ist fraglich.

Sämtliche Versuche der Grünen-Politiker, doch noch etwas für alteingesessene Ausländer zu tun, hat die FDP abgeblockt. Ob es der Doppelpaß für über 60jährige war, ob für jene, die länger als 30 Jahre hier leben oder die Lösung, allen zwischen 1955 und 1973 eingewanderten Ausländern zusätzlich den deutschen Paß zu geben – die FDP saß und sitzt am längeren Hebel.

Für die Grünen-Basis muß das nach wochenlangen zähen Verhandlungen wirken, als sei ihre Spitze kollektiv in eine falsche Richtung gerannt. Die Grünen sind der FDP bis zur Selbstaufgabe entgegengekommen. Vom ursprünglichen Reformvorhaben ist nichts übriggeblieben.

Doch eine Alternative hatten die Grünen nicht. Entweder es werde eine Lösung gefunden – egal welche –, oder es werde keine Reform geben, warnte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz.

Jetzt muß die Bundestagsfraktion der Grünen überzeugt werden. Sträubt sie sich, die Kröte zu schlucken, könnte der Schuß nach hinten losgehen. Letztlich werde das Scheitern der Reform an den Grünen hängenbleiben, fürchten führende Grüne.

Die SPD hatte weniger Probleme, auf FDP-Linie einzuschwenken. Sie will das Thema vor der Sommerpause und damit vor den nächsten Landtagswahlen vom Tisch haben.

Für Cem Özdemir, der das Projekt allen Zugeständnissen zum Trotz als „Jahrhundertreform“ anpreist, ist das mehr als nur Zweckoptimismus. Das alte Blutrecht werde abgeschafft, das zumindest sei erreicht. Ein Anfang sei gemacht.

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