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Neue Studie zu Einbürgerung

■ Wissenschaftszentrum Berlin zeigt: In Ländern mit einem liberalen Staatsbürgerschaftsrecht lassen sich ImmigrantInnen kaum von Konflikten in ihren Herkunftsländern mobilisieren

Eine liberalere Einbürgerungspolitik kann in die Bundesrepublik „importierte“ Konflikte wie die Auseinandersetzungen zwischen KurdInnen und TürkInnen reduzieren. Weil sich ImmigrantInnen weiterhin sehr stark mit ihren Herkunftsländern identifizieren, lassen sie sich von den dortigen politischen und ethnischen Konflikten hierzulande auch stark mobilisieren. In anderen europäischen Ländern wie Großbritannien ist das ganz anders. Dort werden solche Konflikte viel seltener ausgetragen als in der Bundesrepublik. Die Ursache: die bislang sehr restriktive deutsche Einbürgerungspolitik. Zu diesem Ergebnis kommt eine international vergleichende Studie, die das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) jetzt vorgestellt hat.

„Unsere Studie zeigt“, so der Politikwissenschaftler Ruud Koopmans, der gemeinsam mit dem Soziologen Paul Statham die Untersuchung durchgeführt hat, „daß ein liberales Staatsbürgerschaftsrecht eine mildernde Wirkung auf importierte Konflikte hat.“ Die Befürchtungen der GegnerInnen einer erleichterten Einbürgerung, die häufig genau das Gegenteil behaupten, seien also falsch. Ein aktuelles Beispiel: „Die Niederlande haben im Verhältnis zur Bevölkerung auch eine große kurdische Minderheit“, so Koopmans weiter, „aber viel weniger Probleme damit als Deutschland.“ Die Ursache liege in der besseren Integrationspolitik der Niederlande. Das bedeute freilich nicht, daß es dort keine Konflikte gibt. Diese beziehen sich aber auf die niederländische Innenpolitik.

In ihrer Studie untersuchten die beiden Sozialforscher politische Äußerungen und Proteste ethnischer Minderheiten in Deutschland und Großbritannien, über die in den Jahren 1990 bis 1995 in verschiedenen Tageszeitungen berichtet worden ist. Das Ergebnis: In Deutschland sind über 40 Prozent solcher Äußerungen und Proteste auf Konflikte und aus den Herkunftsländern zurückzuführen. Dabei stand der türkisch-kurdische Konflikt im Vordergrund, es ging aber auch um Auseinandersetzungen im Iran und Exjugoslawien. In England dagegen gehen nur vier Prozent auf solche Konflikte zurück. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist dies nicht auf die unterschiedlichen Herkunftsländer zurückzuführen: „Auf dem indischen Subkontinent gibt es auch gewaltsame Konflikte, die zu entsprechenden Auseinandersetzungen unter den Einwanderern in Großbritannien führen könnten.“

Die englischen ImmigrantInnen aber beschäftigen sich hauptsächlich (51 Prozent) mit der Integrationspolitik, die für die Mobilisierung der deutschen ImmigrantInnen mit sechs Prozent nur eine marginale Rolle spielt. Die Forscher sehen einen wichtigen Grund dafür im unterschiedlichen Staatsbürgerschaftsrecht der beiden Länder. Während mehr als die Hälfte der ImmigrantInnen und ihrer Nachkommen die britische Staatsangehörigkeit besitzen, sind dies in Deutschland nur einige wenige Prozent. Sie fühlen sich weiter als AusländerInnen und identifizieren sich kaum mit der deutschen Gesellschaft. Hinzu komme, daß sich die britische Politik zum Konzept der multikulturellen Gesellschaft bekenne. Laut Koopmans bestätigen seine Untersuchungen in den Niederlanden diesen Trend, Forschungen in Frankreich und der Schweiz sollen folgen. Sabine am Orde

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