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Der diskrete Charme der Kungelrunden

Im Wahlkampf um das Präsidentenamt droht der Freien Universität ein Rückfall in alte Seilschaften und Grabenkämpfe. Ein breites Bündnis will die Kandidatin Gesine Schwan ausbremsen, die für Transparenz plädiert  ■ Von Ralph Bollmann

Es war, erinnert sich eine Teilnehmerin, „wie im Studentenparlament“. Eine Dreiviertelstunde lang hatten sich die Professoren im Akademischen Senat vergangene Woche zu einer Beratung hinter verschlossene Türen zurückgezogen, dann wählten die Senatoren die vier universitären Vertreter für das neue Kuratorium. Keine unwichtigen Posten – schließlich entscheidet das Kuratorium der Freien Universität (FU) über den Haushalt der Hochschule, außerdem sollen die Universitätsvertreter in dem umgestalteten Gremium auswärtigen Beratern von der Prominenz des früheren Bahnchefs Heinz Dürr oder der Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach Paroli bieten. Doch der sonst so diskussionsfreudige Akademische Senat wählte die Kandidaten, ohne daß sie sich vorgestellt hätten. Erst nachdem der Professorenvertreter, der Psychologe Peter Rosemeier, die Mehrheit der Stimmen erhalten hatte, brach ein Teil der Hochschullehrer in Jubel aus.

Den Hintergrund der professoralen Freundenausbrüche erfuhren die unbeteiligten Beobachter erst einen Tag später. Da teilten Vertreter aller vier Professorengruppen und zweier Gruppen von akademischen Mitarbeitern unter dem Briefkopf der FU-Pressestelle mit, sie hätten sich auf ein „breites Bündnis“ geeinigt. Neben der „gestern erfolgten Wahl der universitären Mitglieder für das neue Kuratorium“ umfasse die Absprache auch die Wahl des Präsidiums im kommenden Sommersemester. „Präsident soll Prof. Dr. Peter Gaehtgens werden“, hieß es klipp und klar. Aufmerksame Uni-Angehörige bemerkten jedoch, daß der Schrifttyp von den regulären FU-Pressemitteilungen abwich. Außerdem war im Briefkopf – anders als sonst üblich – kein Name eines verantwortlichen Mitarbeiters der Pressestelle angegeben.

Kein Wunder – schließlich war auch der Inhalt des Papiers einigermaßen dubios. Denn der bisherige Erste Vizepräsident Gaehtgens, der die Hochschule bereits seit dem schweren Autounfall des Präsidenten Johann W. Gerlach vor mehr als einem Jahr leitet, wurde zum neuen Präsidenten ausgerufen, bevor die Stelle überhaupt ausgeschrieben ist: Die Stellenanzeige soll erst in der kommenden Woche erscheinen. Außerdem hat neben dem Akademischen Senat auch das neue Kuratorium ein Vorschlagsrecht. Daß die Wahl angeblich schon gelaufen sei, habe er „in der Zeitung gelesen“, sagt Kuratoriumsmitglied Wolfgang Frühwald, früher als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft oberster Wissenschaftslobbyist im Lande: „Mehr weiß ich dazu nicht.“

Solch unsensibles Vorgehen will gar nicht zu Gaehtgens passen, der sich bislang kaum exponiert hat. „Der Wahlkampf wird von Gerlach gemacht, nicht von Gaehtgens“, glaubt daher die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan, die gegen Gaehtgens ins Rennen um die FU-Präsidentschaft geht. Es sei schlechter Stil, „wenn der Präsident versucht, seinen eigenen Nachfolger zu bestimmmen“. Daher sehe sie „weiter gute Aussichten“, die Wahl zu gewinnen – zumal im Gaehtgens-Personalpaket für die Vizepräsidenten keine einzige Frau enthalten sei.

Im 60köpfigen „erweiterten Akademischen Senat“, der den Präsidenten wählt, haben die Professoren eine Mehrheit von einer Stimme. Die Stimmen der Studenten, der nichtwissenschaftlichen und eines Teils der wissenschaftlichen Mitarbeiter scheinen der Kandidatin Schwan nach Auskunft von Beobachtern einigermaßen sicher zu sein. Entscheidend ist also, ob die nur locker organisierten Professorenlisten einheitlich abstimmen oder nicht.

Unter den Mittelbau-Vertretern will neben der konservativen „Vereinten Mitte“ nur der „alternativ-undogmatische Mittelbau“ für Gaehtgens stimmen – jene Gruppierung also, die seit den Zeiten Dieter Heckelmanns in den FU-Gremien als Zünglein an der Waage fungiert. Unterdessen übernahmen führende „AL-Undogs“ einen vom Präsidialamt finanzierten „Forschungsverbund SED-Staat“ oder rückten in einflußreiche Verwaltungspositionen auf (siehe unten). Einen Zusammenhang bestritten sie stets vehement, gleichwohl glaubt manch ein FU-Dozent, der Hamburger Anglist Dietrich Schwanitz habe „stark untertrieben“, als er in seinem Roman „Der Campus“ den Uni-Filz darstellte.

Gaehtgens gehe „umsichtig und ausgleichend“ vor und polarisiere nicht, lobte dessen designierter erster Vizepräsident, der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen. Niemand muß also befürchten, daß er die bestehenden Seilschaften ernsthaft gefährdet. Schwan hingegen hat Transparenz und Offenheit versprochen – und nie verschwiegen, daß sich damit auch Personalentscheidungen verbinden. Kein Wunder also, daß sie einflußreiche Feinde hat.

Die Mitglieder des neuen Kuratoriums, die am Mittwoch den FU- Campus erstmals beschnupperten, wollten sich zu der Personalie noch nicht äußern. Limbach, Dürr, Frühwald sowie der frühere Gewerkschaftschef Hermann Rappe und die Schweizer Biochemikerin Heidi Diggelmann vereinbarten nur den Termin für ihre erste Sitzung. „Wir sind ganz von Ferne auf die FU zugekommen“, so Frühwald, „wir müssen uns erst mit der Situation vertraut machen.“

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