Beim G-7-Gipfel geht es um mehr als das Kosovo

■ Die Industrienationen bringen bis zu 100 Milliarden Mark für den Wiederaufbau auf dem Balkan auf, zögern aber mit den 5 Milliarden für einen Schuldenerlaß für die ärmsten Länder

Berlin (taz) – Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist gestern Befürchtungen entgegengetreten, der Weltwirtschaftsgipfel kommende Woche in Köln werde keine deutliche Entschuldung der ärmsten Länder bringen. Diese Sorge hatten entwicklungspolitische Organisationen geäußert, nachdem sich die G-7-Staaten bisher nicht über Umfang und Finanzierung eines Schuldenerlasses einigen konnten. Morgen treffen sich die Finanzminister der sieben führenden Industrienationen in Frankfurt, um möglichst viele dieser Fragen schon vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs zu klären.

Die Organisation Weed (World Economy, Ecology and Development) sprach von einem „unerträglichen Gefeilsche“ über die Schuldenreduzierung. „Angesichts der Summen, die die G 7 für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Balkanländer aufbringen werden, werden die Ärmsten mit Brotkrumen abgespeist“, sagte Weed-Vorständlerin Barbara Unmüßig. Weltbankpräsident James Wolfensohn will den Finanzministern am Samstag erste Schätzungen zu den Wiederaufbaukosten vorlegen; Experten nennen Summen zwischen 20 bis 100 Milliarden Mark. Eine umfangreiche Entschuldung der ärmsten Länder würde die Industrieländer laut Weed jährlich mit weniger als fünf Milliarden Mark belasten.

Die Entwicklungsorganisation Oxfam appellierte an Bundeskanzler Schröder, nicht von einer „Maximallösung“ abzurücken. Durch Halbherzigkeit der Bundesregierung sowie Widerstände von Japan, Frankreich und Italien könnte eine möglicherweise einzigartige Chance vertan werden.

Neben der Entschuldungsinitiative steht eine Reform des internationalen Finanzsystems auf der Tagesordnung der G 7. Bereits im April hatten die G-7-Finanzminister aufbauend auf den Beschlüssen des letztjährigen Weltwirtschaftsgipfels in Birmingham einige Grundzüge für eine neue internationale „Finanzarchitektur“ aufgestellt. Zentrale Punkte dabei sind eine bessere Aufsicht über die Finanzmärkte sowohl in den Schwellen- als auch den Industrieländern sowie die Festlegung internationaler Standards für Transparenz und Kontrolle des Finanzsektors in den einzelnen Ländern. Privatanleger sollen künftig an der Vorbeugung und Lösung von Finanzkrisen beteiligt werden, um nicht wie bisher private Spekulationsrisiken bei einem Crash durch öffentliche Finanzierung aufzufangen. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, daß in der kommenden Woche weitreichende konkrete Beschlüsse gefaßt werden.

Zur Vorbereitung des Gipfels trafen sich gestern auch die Außenminister der G 7 plus Rußland. Neben dem Kosovo standen Themen der inneren und äußeren Sicherheit auf dem Programm: außer der Bekämpfung von Terrorismus und dem Thema Landminen auch die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen. US-Präsident Bill Clinton hat dabei einen Vorschlag unterbreitet, der vor allem auf eine bessere Zusammenarbeit setzt. Dadurch soll verhindert werden, daß Rüstungsexperten aus der ehemaligen Sowjetunion ihr Wissen unkontrollierbar an andere Staaten weitergeben. Nicola Liebert