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Er will nicht der Ausputzer sein

Eigentlich läuft die Uhr des Berliner Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky im Herbst ab, aber dennoch will der Innensenator jetzt noch einmal seine Amtszeit verlängern  ■ Von Plutonia Plarre

Die Entscheidung über das Schicksal des Berliner Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky ist längst gefallen – auch wenn es noch nicht amtlich ist. Im kommenden Herbst, kaum daß die Bundesregierung ihre Geschäfte in Berlin aufgenommen hat, muß die Hauptstadt im Anschluß an die Landtagswahlen einen neuen Polizeipräsidenten küren. Die Angelegenheit drängt. Denn auch der Posten des Vizepräsidenten ist seit einem Jahr unbesetzt. Die 28.000 Mitarbeiter zählende Hauptstadtpolizei wäre dann völlig kopflos.

Aber statt sich schleunigst auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger zu machen, werden auf der politischen Bühne der Stadt die Kulissen wie in einem Provinztheater hin und her geschoben. Der unfreiwillige Hauptdarsteller Hagen Saberschinsky hat sich unterdessen tief verletzt in seinen Elfenbeinturm im Polizeipräsidium zurückgezogen und wartet auf Bescheid durch seinen Innensenator Werthebach (CDU).

Obwohl sich die in der großen Koalition mitregierende SPD inzwischen offen für die Suche nach einem neuen Polizeipräsidenten ausspricht, macht sich Saberschinsky offenbar noch Illusionen, daß er über den Herbst 1999 hinaus im Amt bleibt. Eigentlich müßte es der drahtige große Mann, der bei den parlamentarischen Untersuchungen zu den Todesschüssen am israelischen Generalkonsulat durch die Medien ging wie kein anderer Verantwortungsträger, besser wissen. Denn Saberschinsky selbst bezeichnet sich als „Realisten“. Aber wie schon öfters in seiner mehr als siebenjährigen Amtszeit ist seine Gutgläubigkeit größer. Er nimmt die Worte seines Vorgesetzten Werthebach für bare Münze.

Der Hintergrund: Saberschinsky wird im kommenden Herbst 60 Jahre alt und hat damit als Vollzugsbeamter die Pensionsgrenze erreicht. Als er vor einigen Monaten von Werthebach gefragt wurde, ob er bereit sei zu verlängern, hat Saberschinsky eigenen Angaben zufolge geantwortet: Grundsätzlich ja. Er habe bei diesem Gespräch aber sehr deutlich gemacht, so Saberschinsky gestern, daß er für eine einjährige Verlängerung der Amtszeit zur Überbrückung der Wahlen „als Ausputzer“ nicht zur Verfügung stehe.

Obwohl Werthebach dies genau bekannt war, verkündete er Anfang der Woche, er wolle die Amtszeit von Saberschinsky um ein Jahr verlängern. Möglicherweise hatte der Innensenator bei der Ankündigung den Plan im Hinterkopf, die Amtszeit des Polizeipräsidenten erst um ein Jahr und dann nochmals um vier Jahre zu verlängern. Voraussetzung dafür ist, daß die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Der Gesetzesentwurf, in dem der Polizeipräsident zum politischen Beamten mit einer Altersgrenze von 65 Jahren erklärt wird, ist in Vorbereitung.

Selbst wenn dies Werthebachs Hintergedanken waren, war dem Innensenator doch vollkommen klar, daß weder die eigene CDU noch die SPD bei einer „scheibchenweisen Verlängerung“ von Saberschinskys Amtszeit mitmachen würde. Ein Jahr Verlängerung war für die Abgeordneten der Regierungskoalition von CDU und SPD das höchste der Zugeständnisse.

Während die CDU nie öffentlich zugegeben hat, daß sie mit dem Polizeipräsidenten eigentlich nicht zufrieden ist, hat die SPD aus ihrer Haltung nie einen Hehl gemacht. Inzwischen wollen die Sozialdemokraten und die SPD allerdings nicht mal mehr etwas von einer einjährigen Amtszeitverlängerung wissen. Ausschlag dafür hat das schlechte Bild gegeben, das der Polizeipräsident bei den Untersuchungen der Vorfälle am israelischen Generalkonsulat am 17. Februar 1999 abgab. Vor zwei Wochen tauchte der Mitschnitt eines Telefongespräches zwischen Saberschinsky und dem Berliner Innenstaatssekreätr Kuno Böse (CDU) auf. „Ja, ja, ja. Ist gut. Wir schützen die ganze Welt“, hatte Saberschinsky zu Böse am 16. 2. 1999 gesagt, als er von diesem auf die Gefährdung der israelischen Einrichtungen angesprochen wurde. Das war ein Tag vor der Besetzung, bei der vier Kurden getötet und zahlreiche Menschen verletzt wurden. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß hat Saberschinsky klargestellt, daß seine Äußerung fehlinterpretiert worden sei. Er habe die abstrakten Hinweise zur Gefährdung der israelischen Einrichtungen schon frühzeitig zur Kenntnis genommen. Daß er der Veröffentlichung desProtokolls zustimmte, ist wieder auf seine schon fast naive Gutgläubigkeit zurückzuführen.

Saberschinsky fing seine Laufbahn 1997 als kleiner Beamter bei der Berliner Schutzpolizei an. Später stieg er zum dritten Mann im Bundeskriminalamt auf. 1992 holte ihn der damalige Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) von Bonn nach Berlin. Anfangs machte er durch eine sehr transparente Polizeiarbeit von sich reden, indem er zum Beispiel die Unterwanderung der Freien Polizei-Reserve durch Kriminelle und Rechtsradikale anprangerte. Doch dann wurde er durch die Umstrukturierung der Berliner Polizei völlig aufgesogen. Saberschinsky selbst sieht sich als „Erneuerer“,der die Berliner Polizeibehörde „sachlich, fachlich, kompetent, durchsetzungsfähig und menschlich“ leitet. Der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Lorenz hält ihn dagegen für einen „heillos überforderten Bürokraten“. Die hiesige Polizei, so Lorenz, braucht einen „innovativen Managertypen“.

Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland bezeichnet Saberschinsky als „tragische Figur des Bauern“, die dem politischen Schachspiel zum Opfer gefallen sei. Saberschinsky selbst vermag an das Ende seiner Amtszeit noch nicht ganz zu glauben. Er hält das Gezerre um seine Person „für Vorwahlkampf“ und Revanche dafür, daß er nicht „so windschlüpfrig“ sei, wie manche ihn gern hätten. Auf die Frage, was seine schwierigste Herausforderung in der Hauptstadt gewesen sei, sagt er: „Die sehr speziellen Berliner Verhältnisse.“

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