: Die „negativen Kräfte“ bestimmen Kongos Zukunft
■ Rebellen aus Uganda, Ruanda, Burundi und Angola haben sich im Kongo breitgemacht. Sie sollen jetzt laut Abkommen entwaffnet werden - eine nahezu unmögliche Aufgabe
Berlin (taz) – Der wahre Test dafür, ob der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo tatsächlich zu Ende geht, wird im Verhalten jener Gruppen liegen, die am Friedensabkommen nicht beteiligt sind und lediglich als „negative Kräfte“ genannt werden: die nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen aus unterschiedlichen Ländern, die in großen Mengen im Kongo präsent sind und nun entwaffnet werden sollen.
Genannt werden im Text Rebellenbewegungen aus Uganda, Ruanda, Angola und Burundi, die ihre Basen im Kongo haben. Sie reichen von mächtigen Organisationen wie Angolas Unita bis hin zu Splittergruppen wie der „Uganda National Rescue Front II“. Betroffen sind auch „alle anderen Gruppen“, worunter vermutlich die kongolesischen „Mayi-Mayi“-Stammesmilizen zu verstehen sind, die innerhalb des Rebellengebietes gegen die Aufständischen kämpfen. Die ausländischen Gruppen im Kongo haben das in weiten Landesteilen herrschende Machtvakuum ausgenutzt und sich oftmals in den Dienst der einen oder anderen kongolesischen Kriegspartei stellen lassen. Damit sind sie zum Bestandteil der kongolesischen Innenpolitik geworden und von dieser nur noch schwer zu trennen. Wie diese Gruppen wieder entfernt werden sollen, ist die große offene Frage.
Der Text des Abkommens ist dazu ziemlich vage. „Es wird einen Mechanismus zur Entwaffnung bewaffneter Gruppen und Milizen geben“, heißt es. „In diesem Zusammenhang verpflichten sich alle Parteien zum Prozeß, alle Mitglieder bewaffneter Gruppen im Kongo ausfindig zu machen, zu identifizieren, zu entwaffnen und zu versammeln.“
Wie dies geschehen soll, war gegen Ende der Verhandlungen in Lusaka der größte Stolperstein. Ruanda und Uganda, die Unterstützer der Rebellen, bezweifelten, ob eine UN-Blauhelmtruppe tatsächlich die Entwaffnung hochmotivierter Gruppen wie der ruandischen Hutu-Miliz „Interahamwe“ vornehmen könne. Ruanda schlug statt dessen vor, daß Simbabwe dies machen solle, da dessen auf Kabilas Seite kämpfende Armee mehrere tausend neue Interahamwe-Milizionäre ausgebildet habe. Simbabwe hat früher bereits Kämpfer der mosambikanischen Rebellenorganisation „Renamo“ in seine Armee integriert.
Das Abkommen trifft hier keine eindeutige Entscheidung. Die Entwaffnung soll innerhalb von 360 Tagen nach Inkrafttreten des Waffenstillstands beendet sein, also Anfang Juli 2000. Sie ist somit Aufgabe sowohl der derzeit stationierten Armeen im Kongo wie auch der später gewünschten UN-Eingreiftruppe. Für die entwaffneten Rebellen wird eine Repatriierung und eine Amnestie ins Auge gefaßt – außer für „Völkermordverdächtige“. Damit sind die ruandischen Hutu-Milizen gemeint.
Internationale Beobachter warnen bereits, daß eine Entwaffnungsaktion im Kongo kaum möglich ist – vor allem im unruhigen Osten, wo sich alle Konflikte der Region der Großen Seen bündeln und wo jede Gemeinschaft bewaffnet ist. Hier wird jede Militärintervention das Gegenteil von Frieden produzieren. UN-Experten haben bereits Planungen für eine erwartete Verschärfung der humanitären Notlage in der Region aufgenommen. In der östlichen Kivu-Region ist außerdem zu erwarten, daß mit Ende der Kämpfe die Militärführer der verschiedenen Fraktionen die Kontrolle über ihr jeweiliges Gebiet konsolidieren und damit den Zerfall des Kongo in autonome Warlord-Regionen weiter verstärken.
Vor allem ist auf Rebellenseite eine Trennung zwischen ugandischem und ruandischem Einflußgebiet zu erwarten. Von der ursprünglichen Idee der Vermittler, alle Rebellen gemeinsam als „United Front“ unterschreiben zu lassen, ist ohnehin nichts mehr übriggeblieben. Jetzt unterschreiben die von Ruanda unterstützte „Kongolesische Sammlung für Demokratie“ (RCD) und die von Uganda unterstützte „Kongolesische Befreiungsbewegung“ (MLC) getrennt. Zwischen Uganda und Ruanda ist bereits eine relativ genaue Abgrenzung der jeweiligen Einflußgebiete im Gange, die auf eine faktische Neuziehung der bestehenden Provinzgrenzen hinausläuft. Dominic Johnson
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