: In die andere Richtung schießen
Der Ex-Grüne Manfred Fleischer, dereinst vehementer CSU-Kritiker, ist als Bürgermeisterkandidat in Stoibers Wohnort Wolfratshausen im Gespräch – und zwar für die Christsozialen. Grüne sprechen von „Politfolklore“ ■ Von Georg Gruber
Berlin (taz) – In Bayern ist der Weg von Grün nach Schwarz nicht weit – oft sitzen die politischen Gegner beim Biertrinken wieder freundschaftlich zusammen. Daß frustrierte Grüne in die CSU eintreten, kommt allerdings eher selten vor. Im Wohnort des Ministerpräsidenten, im oberbayerischen Wolfratshausen, steht ein Wechsel kurz bevor. Es wird sogar spekuliert, ob mit Manfred Fleischer ein prominenter Ex-Grüner und CSU-Kritiker für die allmächtige Staatspartei als Bürgermeister kandidieren wird.
Im Herbst vor zwei Jahren hatte Fleischer die Grünen im Streit verlassen. Der Fraktionschef, der schon immer gerne mit CSU-Mitgliedern Karten spielte, war vielen Grünen zu konservativ. Er habe versucht, die Grünen auf reine Naturschutzthemen zu reduzieren, erklärt Landesverbandssprecher Alex Burger und spricht von „Politfolklore“. Seit Fleischers Ausscheiden seien die Flügelkämpfe verebbt. „Das ist sein persönliches Problem, wenn er zu der Partei überwechselt, die er früher so heftig bekämpft hat“, sagt Burger.
Fleischer selbst gibt sich schweigsam. „Tempi passati“, mehr möchte der 44jährige zu seinem Verhältnis zu den Grünen nicht sagen. Spekulationen über einen Wechsel zur CSU wollte er weder dementieren noch bestätigen. „Ich überlege, ob ich wieder politisch aktiv werde“, erklärt er auf Nachfrage der taz. Gegenüber dem Isar-Loisachboten, der Heimatzeitung für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, hatte er sich äußerst lobend über seine einstigen politischen Intimfeinde geäußert: „Natürlich ist die CSU die Partei, die in Bayern unter Edmund Stoiber hervorragend geführt wird.“ Als Grünen-Fraktionsvorsitzender hatte er zum selben Thema andere Vokabeln: „Pfründewirtschaft“ und „Amigosystem“.
Ehemalige Parteifreunde unterstellen ihm, daß er nun selbst vom Amigosystem profitieren möchte, da er als Forstwirt keinen Job mehr bekomme. „Sollen's ruhig spekulieren“, mehr will Fleischer auch zu diesem Vorwurf nicht sagen.
Wir freuen uns über jedes neue Mitglied, heißt es aus der CSU-Zentrale in München. Fleischers Interesse für die CSU sei nicht verwunderlich, schließlich habe er „eine beachtliche politische Wandlung“ hinter sich, erklärt der stellvertretende CSU-Sprecher Maximilian Stängel vielsagend.
Albert Brunnhuber, CSU-Fraktionsvorsitzender im Wolfratshausener Stadtrat, bestätigt, daß es schon mehrere Gespräche über einen Beitritt Fleischers gegeben habe. Man kennt sich, da sei es ganz normal, daß man auch mal fragt: „Wie schaut's denn aus, könntest du dir vorstellen, bei uns weiter politische Karriere zu machen?“ Brunnhuber habe schon immer das Gefühl gehabt, Fleischer sei in der falschen Partei. Eine Kandidatur für den Bürgermeisterposten sei im Bereich des Möglichen. Fleischer habe nie für die utopischen Ideen der Grünen gestanden, sei ein Pragmatiker und: „Er vertritt vernünftige Ideen und kommt an bei der Bevölkerung.“
Daß Fleischer früher die CSU heftig angegriffen hat, wäre für eine Kandidatur kein Hindernis. „Das war ja sein Auftrag, das hat er nicht schlecht gemacht“, entschuldigt ihn Brunnhuber. Wenn er bei der CSU unterkomme, „dann kann er ja in die andere Richtung schießen.“
Manfred Fleischer kann sich mit seinen Überlegungen noch etwas Zeit lassen. Erst im Jahr 2002 wird sich der SPD-Bürgermeister wieder zur Wahl stellen, der im letzten Jahr überraschend den CSU-Kandidaten schlug, mit sieben Stimmen Vorsprung.
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