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Und plötzlich waren sie eine Bank

■ Alternativprojekte, die Direktkredite sammeln, können Probleme mit der Bankenaufsicht bekommen. Eine Baukooperative in Freiburg plant deswegen eine „Peanuts Company“

Freiburg (taz) – Das Surfen auf dem Bügelbrett ging in die Hose. Anfang des Jahres warb die Freiburger Baukooperative Grether-Ost mit witzigen Bügelbrett-Plakaten für ihr Modell des „invest surfin‘“ und „freestyle banking“. Sie wollte Direktkredite für Bebauung und Sanierung des Grether-Geländes in der Freiburger Innenstadt sammeln. Dann schlug die Bankenaufsicht zu und stoppte das Projekt. Grether-Ost betreibe ungenehmigte Bankgeschäfte, lautete der Vorwurf.

Nun zittern auch andere Alternativprojekte. Immerhin 3 Millionen Mark von 147 KreditgeberInnen hatte Grether-Ost bis zum April eingesammelt. Gesichert sind die Gelder über eine Sammelgrundschuld auf die vorhandenen Immobilien. Den Anlegern wurde versprochen, daß sie ihr Kapital jederzeit wieder zurückverlangen können. Nach Ansicht des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen in Berlin hat Grether-Ost damit „Geldeinlagen“ gesammelt – wie eine Bank. Die vom Aufsichtsamt festgesetzen Grenzen waren nämlich sowohl in der Höhe (maximal 25.000 Mark von bis zu fünf Einlegern) als auch in der Menge (höchstens 25 Einlagen) weit überschritten. Zulässig wäre das Geldsammeln nur gewesen, wenn Grether-Ost „bankübliche Sicherheiten“ geboten hätte. Die im Alternativspektrum weitverbreitete Sammelgrundschuld gilt aber nicht als solche, weil ein Treuhänder dazwischengeschaltet ist.

Derzeit verhandeln die Projektleute mit dem Aufsichtsamt. „Am liebsten wäre uns“, so Stefan Rost vom Freiburger Mietshäuser-Syndikat, das auch hinter Grether-Ost steht, „wenn wir in die bestehenden Verträge eine Klausel einfügen könnten, die klarstellt, daß die Direktkredite weniger sicher sind als übliche Bankeinlagen.“ Rost glaubt, daß die meisten AnlegerInnen mit einer solchen Vertragsänderung einverstanden wären. Das Aufsichtsamt betont, daß man das Projekt keinesfalls zum Scheitern bringen will. „Wir haben keine Anzeichen, daß es sich hier um unseriöse Machenschaften handelt“, sagt Behördensprecherin Sabine Lautenschläger, „aber auch soziale Initiativen müssen sich an die Gesetze halten.“

In den achtziger Jahren boomten derartige Direktkredite, als, ausgehend von den Berliner „Stattwerken“, bundesweit Geld für die Alternativbewegung akquiriert wurde. Schon damals gab es Ärger mit dem Aufsichtsamt. Mit dem Niedergang der Selbstverwaltungswirtschaft und der Gründung der Ökobank verlor die zentrale Kreditvermittlung stark an Bedeutung.

Heute sind es eher die Projekte selbst, die zinsgünstige oder zinslose Direktkredite suchen, um die Kosten für Bankdarlehen zu umgehen. Vor allem dort, wo Immobilien als Sicherheit zur Verfügung stehen, war das Einwerben von Direktkrediten erfolgversprechend. Einen genauen Überblick hat zwar niemand, aber Grether Ost schätzt, daß es „bundesweit mindestens 100 ähnliche Projekte“ gibt. „Wir sind sozusagen der Präzedenzfall“, seufzt Rost.

„Wir werden nun nicht die Alternativszene nach ähnlichen Fällen durchkämmen“, betont Sabine Lautenschläger, „sondern nur auf Beschwerden reagieren.“ Im Fall von Grether-Ost hatte die Polizei ein in der Freiburger Innenstadt verteiltes Flugblatt nach Berlin geschickt.

Für die Zukunft hat Grether-Ost die Konsequenzen gezogen und einen Direktkreditfonds gegründet, die „Peanuts Company“. Der Fonds soll das Geld der links-alternativen FreiburgerInnen künftig als „Eigenkapital“ sammeln und dann als ein Darlehen an Grether Ost weiterreichen. Die Sicherung würde wieder über die Grundschuld laufen. „Bei dieser Konstruktion“, so hofft Stefan Rost, „müßte auch das Aufsichtsamt mitmachen.“ Dort wird das Modell derzeit noch geprüft. Kontakt: www.gretherost.syndikat. org Christian Rath

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