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Mit Siegelring und Trunketrink

Mal arschelegant, mal angenehm stumpf: Rocko Schamonis neue Platte ist sehr, sehr gut geworden. Ode an den letzten der politisch korrekten Dandys    ■ Von Susanne Messmer

Das Bild auf dem Cover der neuen CD zeigt Rocko Schamoni als vollendeten Dandy. Ein halbes Lächeln im Mundwinkel, die Krawatte sitzt locker, ebenso der Revolver in der Hose. Nur: Der Anzug ist speckig und zerlumpt. Rocko hat Engelsflügel an und die Nebelschwaden deuten auf die Wolke, von der er im ersten Song, dem größten Hit des neuen Albums, auf uns herunterschaut. „Hallo, Freunde, ich bin der Beobachter“, singt er, „jede Mode lässt mich innen völlig kühl.“

Es kann kein Zufall sein, dass im deutschen Synonymwörterbuch Dandy mit „Lackaffe“ oder „Pomadenhengst“ gleichgesetzt wird. Schillernde Figuren mit Hang zur Pose sind hier zu Lande rar wie die Nadel im Heuhaufen – und überdies selten von Erfolg gekrönt. Vielleicht hat es mit der Nähe Hamburgs zu England, der Heimat von Oscar Wilde und Glamrock, zu tun, dass Rocko Schamoni immer eleganter, immer charmanter geworden ist. Wie er aufreizend grinst, mit seinem Goldzahn, seinen schleimigen Siegelringen und Bügelfalten – ein adeliger Zuhälter, ein proletarischer Monarch und Außenseiter.

Einen schwierigen, einen vielseitigen Auftrag hat er sich aufgehalst, der Rocko, und so großartig durchgeführt wie auf keinem seiner fünf Alben, die er seit 1988 herausgebracht hat: Der deutschen Linken gibt er den Glamour zurück. Er macht sich lustig über sie, ohne von ihren Utopien zu lassen. Außerdem hat er aber auch den Willen zur Macht, zum Mainstream. Er ist die Avantgarde, aber, ganz untypisch für Dandys, mit Kontakt zum Volk – zum Publikum auf der Tanzfläche. Mit was für einer anspruchsvollen Mühelosigkeit, mit welchem Luxus sein neues Album komponiert und produziert ist! Wie funky und sexy die Beats kullern, mit Pauken und Trompeten, mal angenehm stumpf, mal diskret und smooth an die Discorevolution der Siebziger geknüpft.

Noch vor dem Erfolg von Helge Schneider hätte Rocko Schamoni der König eines anderen deutschen Humors werden können. Absurdität, Groteske, Armseligkeit, Löcher in der Dramaturgie der Geschichten, Blödelei bis zur Langeweile und fehlende Pointen waren zwischen den Songs immer das Wichtigste in seinen Shows. Er spielte in einem Road-Movie einen freiheitsliebenden Mofafahrer, trat mit Schorsch Kamerun bei den sechsstündigen „Pudel Overnight“-Nächten bei 3 sat auf, und machte einmalige Diashows über das „leckere Trunketrink“ Fanta.

Dieses Feld ist nun ebenso besetzt wie das des Schlagers. Daher ist auf dem neuen Album der Sound in den Vordergrund getreten, Coverversionen von Sly & The Family Stone und Wax. Trotz durchgehend deutscher Texte zeugt das von einem mondänen Internationalismus. Auf die Idee muss man erst mal kommen: „Building A Bridge To Your Heart“ in „Wehre dich gegen den Staat“ zu übertragen. Auf die Frage, ob ihn der Boom deutschsprachiger Popmusik langsam ankotze, antwortet er: „Ja, total. Jeder Idiot macht jetzt deutsche Texte. Man sollte jetzt nur noch nichtdeutsche Texte machen. Gerade hab ich auch mit Jan von Tocotronic darüber gesprochen. Es war ein Fehler, es ihnen zu sagen, jetzt werden sie die Ersten sein.“

Anders sein, das ist das heimliche Motto der neuen Platte. Rocko Schamoni will anders sein als der Rest der Menschheit. Vor allem stinken ihm auch die Attitüden des Punks – Punkrocker, die ihre Körper nie als etwas Besonderes inszenieren wollten. Deren Lieder von der Krise und der kaputten Kreatur ohne Beziehungen zur Außenwelt handelten. Besonders der deutsche Punk zeigte sich oft in seiner kleinbürgerlichsten Variante: verbohrt, provinziell, voll protestantischer Abwehr. Von dieser Vergangenheit, von diesem Hamburger Umfeld, auch von der Ernsthaftigkeit der Hamburger Schule seilt Schamoni sich ironisch ab: Im Lied „Loveschool Hamburg“ veralbert er ihren politischen Auftrag: „Wir möchten, dass ihr zu euren Hauseigentümern hingeht und die quasi mit all eurer Wärme aus ihren Häusern rausschmust.“

Das ist banal, aber voll Restmelancholie. Rocko Schamoni ist elitär und egalitär zugleich, aber es fehlt ihm am Willen zur Einsamkeit des Erhabenen. Ein Hauch von Tragik haftet ihm an, dem Unverstandenen, der sich nie zwischen Mainstream und Message wird entscheiden können. Tragik, die er hätschelt wie ein Haustier. Obwohl er weiß, dass die neue Platte seine schönste ist, kokettiert er deshalb: „Ich stand zum Beispiel immer auf Sade. Sade mit meinen Texten wäre nicht mehr zu schlagen! Ich will etwas, das strahlt, das funkelt, worauf man Lust hat, weil es sexy ist. Aber ich kann meine Lieder noch immer nicht so gut singen, wie ich gerne würde. Und darum wird das vielleicht meine letzte Platte sein.“

Das ewige Scheitern gehört einfach zum Image des Bohemiens Schamoni. Nie könnte er sich einigeln, zufrieden oder geschlagen geben. Im Winter wird ein Buch von ihm bei Rowohlt erscheinen, „Risiko des Ruhms“. „Es wurde mit den Nadeln des Wahnsinns gestrickt“, sagt er. Im neuen Jahr wird er mit Schorsch Kamerun ein Stück mit Musik für das Schauspielhaus erstellen. „Vielleicht gehen wir im nächsten Sommer sogar nach Zürich, um dort einMusical zu machen, was man da für einen Ärger veranstalten könnte!“

Glamour, Aufruhr und Humor, nie gingen drei so unterschiedliche Dinge schöner zusammen als bei Rocko Schamoni, dem einzigen politisch korrekten Dandy deutschsprachiger Popmusik. Rocko Schamoni: „Showtime“. (Trikont/Indigo)

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