: Ein Überzeugungstäter und Lebemann
■ Arte schickt mit dem katalanischen Detektiv Pepe Carvalho seinen ersten Serienhelden auf Sendung – und verzettelt sich im Dickicht der Charaktere (20.45 Uhr, Arte)
Er ist Macho. Und Gentleman. Und Gourmet. Manchmal ist er das eine mehr, manchmal das andere. Sein Name ist Carvalho, Pepe Carvalho, und eigentlich ist er die etwas elegantere, katalanische Variante des naturgemäß hartgesottenen Privatdetektivs, die ab heute an sechs Freitagen im Auftrage von Arte das europäische Verbrechen bekämpft.
Für seinen ersten Serienhelden hat sich der Sender die weltberühmte Figur des katalanischen Schriftstellers Manuel Vázquez Montalbán ausgeliehen und sie sich mit Hilfe des Autors zurechtgebogen. Denn der literarische Held altert mit seinen Fällen, die Montalbán seit 26 Jahren für ihn ersinnt. In der Serie ist Carvalho aber konstant Anfang 40 wie sein Darsteller Juanjo Puigorbé. Verfilmt wurden die sechs Geschichten von fünf Regisseuren aus Frankreich, Italien und Spanien.
Das Spannende an den Fällen von Pepe Carvalho ist vor allem er selbst, sein Facettenreichtum und das Milieu, in dem er sich bewegt: Er ist der berühmteste Privatdetektiv Barcelonas und ein echter Linker. Er weiß, dass es unmoralisch ist, sich als Journalist auszugeben oder kurz entschlossen fremder Leute Auto zu klauen. Aber die Welt des Neoliberalismus mit ihren Bankern, Megabossen und korrupten Politikern, gegen die er kämpft, ist noch unmoralischer. Sechs Monate saß Carvalho unter Franco im Gefängnis wegen „politischer Agitation und Verbindungen zu terroristischen Gruppen“. So was prägt. Dort hat der Idealist auch seinen Gehilfen, den pragmatischen Biscuter, kennen gelernt, der ihm Calamares in den Knast schmuggelte und jetzt im Büro seinem Chef pochierte Goldbrassen kredenzt. Ein bisschen erinnern die zwei an Don Quichotte und Sancho Pansa. Carvalhos Informant, ebenfalls ein Freund, ist der fliegende Händler und ehemalige Fremdenlegionär Bromuro, der sich in der barcelonesischen Unterwelt so gut auskennt wie auf seiner Bauchlade, auf der auch schon mal Haschisch liegt. Biscuter und Bromuro gehören ebenso zum unverzichtbaren Inventar wie Carvalhos vollbusige Geliebte Charo, eine Ex-Hure, die ein „kommunistisches Bordell“ betreibt. Gemeinsam kämpfen diese vier Halbweltler gegen die Machenschaften der Mächtigen und geraten dabei immer wieder in Konflikt mit dem Comisario, der Franco etwas näher gestanden haben dürfte ...
Carvalhos Fälle sind elegant und anspruchsvoll. Gerne lässt man sich von diesem mediterranen, genussvollen Kommunismus umgarnen, der in der kalten Lifestyle-Politik der 90er wohltuend altmodisch wirkt. Zugleich schafft er aber auch eine klassische Gegenwelt, die sich der stete Kämpfer gegen das Böse aus Selbsterhaltungsgründen in seinem Privatleben aufbaut. Wie hierzulande Sperling oder Palu.
So sehr die Krimis von ihrem Anspruch und der Person Pepe Carvalhos leben, so sehr kranken sie aber auch daran: Carvalho ist Privatdetektiv, Überzeugungstäter und Lebemann, skeptischer Idealist, hedonistischer Kommunist und treuer Fremdgänger – das ist ziemlich viel auf einmal und funktioniert krimimäßig leider nicht. Zu sehr verzetteln sich die Filme in Porträts ihrer Figuren, wobei die Spannung draufgeht. Und auch die Sache mit den fünf Regisseuren: Man merkt zwar das Bemühen um Kontinuität, aber fünf individuell gesetzte Akzente von fünf Filmemachern aus unterschiedlichen Erzähltraditionen irritieren bloß.
Ania Mauruschat
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