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Für Patienten nur noch Privatrezepte

■ Rund 450 Internisten wollen keine Kassenrezepte mehr verschreiben und so gegen das Arzneimittelbudget protestieren

Ab heute wollen ein Drittel der InternistInnen nur noch Privatrezepte ausstellen. Die PatientInnen müssen die Medikamente demnach selbst bezahlen oder sich um eine Rückerstattung bei ihrer Krankenkasse bemühen.

Der Vorsitzende des Berufsverbandes der Internisten, Hans-Georg Fritz, sagte, diese Maßnahmen seien notwendig, weil die ÄrztInnen wegen der Sparpolitik die Medikamente für ihre PatientInnen zukünftig selbst finanzieren müßten: „Das geht nicht.“

Die Berliner ÄrztInnen haben nach Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ihr Etat für dieses Jahr von insgesamt 1,56 Milliarden Mark für Medikamente ausgeschöpft. Das heißt, dass MedizinerInnen, die weiterhin Rezepte ausstellen, dafür regresspflichtig gemacht werden. Die Kassenärztliche Vereinigung hat ausgerechnet, dass jedem Arzt rund 13.000 Mark Honorar jährlich abgezogen werden. Im Jahr 2001 soll diese gesetzliche Regelung erstmals rückwirkend für 1999 angewandt werden. Fritz geht davon aus, das maximal 30 Prozent der 1.400 InternistInnen bei der Aktion mitmachen. Die Patienten müssen außer Privatrezepten nun damit rechnen, schneller krankgeschrieben oder sogar ins Krankenhaus eingewiesen werden, damit bei dem behandelnden Arzt weniger Kosten anfallen.

Die Sprecherin der KV, Susanne Glasmacher, kritisierte gestern: „Das Vorhaben ist rechtlich nicht zulässig.“ Das Verschreiben von Privatrezepten würde zudem nicht das Problem lösen.

Wenn die Patienten die Kosten von den Krankenkassen erstattet bekommen, würde dafür das Arzneimittelbudget strapaziert. Privatrezepte seien nur zulässig, wenn es sich um „Wunschrezepte“ handele, also Leistungen, die von Kassen ausgeschlossen werden.

Der Berufsverband für Allgemeinmediziner will ebenfalls aktiv werden, jedoch nicht zu ähnlich drastischen Maßnahmen wie die Internisten greifen. „Wir haften gegenüber den Patienten“ sagte die stellvertretende Vorsitzende Angelika Prehn.

Deswegen bekämen chronisch Kranke, also zum Beispiel Herzkranke oder DiabetkerInnen, weiterhin ihre Präparate auf Rezept verschrieben. Privatrezepte würden nur für Krankheiten ausgestellt, die lediglich „Unwohlsein“ hervorriefen, also zum Beispiel grippale Infekte.

Der Verband der Dermatologen begrüßte gestern die Aktion der InternistInnen, will sich jedoch an ihr nicht beteiligen. Der stellvertretende Vorsitzende Martin Miehe: „Man muss diese Problem auf der politischen Ebene lösen und sie nicht auf dem Rücken der PatientInnen austragen.“

Julia Naumann

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