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Arafat lässt seine Kritiker verhaften

■ Den Unterzeichnern eines Flugblatts gegen Korruption und Willkür droht ein Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht

Jerusalem (taz) – Die palästinensischen Intellektuellen, die seit Anfang der Woche hinter Gittern sitzen, müssen überrascht gewesen sein, wie prompt ihnen die Geheimpolizei den Beleg lieferte, dass ihre kritische Stellungnahme gegen „Tyrannei“ und den „Ausverkauf von Rechten“ berechtigt war. Unter der Überschrift „Die Heimat ruft uns“ hatte die 20-köpfige Gruppe, darunter Universitätsangehörige, zwei ehemalige Bürgermeister und elf Mitglieder des Legislativrats, ein Flugblatt veröffentlicht, in dem sie gegen die „Korruption“ und die „Ausbeutung“ des palästinensischen Volkes durch die Behörden in den autonomen Enklaven protestiert.

Mit Ausnahme der Parlamentarier, die vorläufig Immunität genießen, sind inzwischen sämtliche Verfasser verhaftet worden. Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat den Legislativrat bereits aufgefordert, die Immunität der Abgeordneten aufzuheben. Dazu wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit des ingesamt 88 Mitglieder umfassenden Parlamentes notwendig. Die einzige Frau unter den Verhafteten, eine Chemie-Dozentin der Universität in Nablus, durfte gegen eine Kaution von rund 25.000 Mark die Nacht zu Hause verbringen. Die Verfasser des Flugblattes gehören mehrheitlich der Fatach-Partei an, mindestens einer soll Mitglied der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) sein, der Partei des im Exil lebenden Georges Habasch.

Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass die Verhafteten dem Gericht für Staatssicherheit vorgeführt werden, wo gewöhnlich nach dem „Rechtskodex der PLO“ verhandelt wird und die Richter oft keine Juristen, sondern Angehörige des palästinensischen Geheimdienstes sind. Tatsächlich bilde der „rechtsfreie Raum“ das größte Problem, so Rechtsanwalt Jonathan Kuttab, Aktivist der Menschenrechtsorganisation Al-Haq in Ost-Jerusalem. Theoretisch bestehe in den Autonomiegebieten ein Konsens über die Notwendigkeit der Meinungsfreiheit. „Das hat sogar die Autonomiebehörde erklärt.“ Doch solange es kein gültiges Grundgesetz gebe, befänden sich die Anwälte in einem „rechtlichen Vakuum“, so Kuttab. Tatsächlich liegt ein verabschiedeter Gesetzentwurf seit Wochen auf dem Schreibtisch des Vorsitzenden. Jassir Arafat müsste nur noch unterschreiben. Ebenso problematisch sei das Fehlen einer Gewaltenteilung, meint Kuttab und appelliert an die Staatengemeinschaft, in dieser Frage Druck auf die Autonomiebehörde auszuüben.

Selbst für den Menschenrechtsaktivisten, der täglich mit dem Thema zu tun hat, kam die „schnelle und intensive Reaktion“ auf das Pamphlet überraschend. Der Anwalt hofft jedoch, dass die Verhafteten „nicht lange festgehalten werden“. An den Universitäten in Nablus, Bethlehem und Bir Sejt bei Ramallah haben inzwischen Studenten Protestveranstaltungen gegen die Verhaftung ihrer Dozenten organisiert. Zu den Teilnehmern der Demonstrationen gehörten Anhänger aller politischen Richtungen, auch der Hamas, die in Nablus den Studentenrat kontrolliert. An der Universität Bir Sejt gerieten Mitglieder der Fatach-Jugendorganisation „Schabiba“ untereinander in Streit. Jassir Arafat soll die Fatach-Abgeordneten davor gewarnt haben, „Milde“ mit den Verfassern zu zeigen, die das Ansehen der Autonomiebehörden „in schwierigen Zeiten besudeln“. Der offizielle Rundfunk „Stimme Palästinas“ bezeichnete das umstrittene Pamphlet als ein „Unruhe stiftendes Dokument, das sich gegen die Ziele des palästinensischen Kampfes und der Einheit wendet“. Auch eine Reihe jener Abgeordneten, die in der Regel als kritisch gelten, haben sich unterdessen vom Inhalt des Papiers distanziert.

Susanne Knaul

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